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Duftmarken im Weltraum

Zehn Jahre Staubgold: Das in Köln gegründete und mittlerweile als Einmannunternehmen in Prenzlauer Berg angesiedelte Label macht sich für selten gehörte Musik stark. Ein Porträt

VON RENÉ HAMANN

Markus Detmer ist ein angenehmer Mensch. Er spricht leise und bedächtig, frei von jedem Szenedünkel und Größenwahn. Er weiß, was er macht, und er weiß, was er ist: ein Anhänger seltsamer Musik, ein Vertreter der Kunstkopf-Avantgarde. Und in Personalunion Postabteilung, Einkäufer, Praktikant, Außenvertreter und Chef seiner eigenen Einmannschallplattenfirma.

Staubgold gibt es seit zehn Jahren. Gegründet hat Detmer das Label im staubigen Köln im Jahre 1996 ursprünglich als Mailorder. Im Umkreis des Plattenladens a-Musik und der Kölner Elektronika-Szene zwischen Mouse on Mars und Schlammpeitziger fühlte er sich gut aufgehoben. So gut, dass Staubgold bald zu einer kleinen, aber festen Größe gedeihen konnte. „Das war für mich sehr motivierend, zu sehen, dass sich auch mit schwerverkäuflicher Musik eine Existenz aufbauen lässt“, sagt Detmer. Anfang 2003 verließ er das Rheinland dann in Richtung Hauptstadt. Ein nachvollziehbarer Schritt, denn gerade Randständiges muss sich auf die Dauer Strukturen suchen, die das Überleben möglich machen. „Zum Ende hin hat sich herausgestellt, dass es geografisch und inhaltlich sehr eng wurde in Köln“, erzählt Detmer. „Die Hauptmotivation, nach Berlin zu ziehen, war trotzdem eine persönliche. Ich wollte mit meiner Freundin zusammenziehen.“

Es war denn auch ein gemachtes Netz, in das sich Staubgold in Berlin setzen konnte. Dazu fanden sich schnell neue Kontakte und Kreise. Sie reichen von der Promotionagentur Autopilot, dem Booking-Unternehmen Planet Rock, dem befreundeten Label Klangkrieg bis zum Schallplattenladen Dense Records, mit dem sich Detmer Büroräume in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg teilt. Gegenseitige Unterstützung ist also garantiert.

Die Künstler, die auf Staubgold erscheinen, kommen aus aller Herren Länder und üben sich in selten gehörter Klangkunst. Da steht Elektronik neben Free Jazz und Avantgarde. Embryo, eine Krautrock-Institution der Siebzigerjahre, haben hier eine Platte mit der No-Neck Blues Band aus New York, einer eher Free-Jazz-orientierten Kapelle, gemacht; Ekkehard Ehlers und andere versuchen sich in Neuer Musik; dazu gibt es das Kammerflimmer Kollektief und experimentell Elektronisches von Rafael Toral oder Leafcutter John. Und immer etwas, was sich auch an gängige Indie-Diskurse anschließen ließe. Verkaufsschlager, wenn man so will, ist die Compilation „Patchwork“ der legendären Krautrockformation Faust aus dem Jahr 2002. Manchmal gibt es lobende Besprechungen in den einschlägigen Musikmagazinen, auch im Musikexpress oder im Rolling Stone. Von Hitparaden, Formatradio-Rotationen oder sonstiger Massentauglichkeit sind Staubgold-Platten aber Galaxien entfernt.

Reich werden geht so natürlich nicht. Die Existenz des Labels scheint vorerst zwar gesichert, entspannt ist das Arbeiten bei Staubgold allerdings nicht immer. Zwischenzeitlich hatte Detmer noch zwei weitere Mitarbeiter, aber die wirtschaftliche Lage ließ das nicht länger zu. „Das Segment Elektronika hat sich stark zurückentwickelt“ – mit dieser Meinung steht Detmer nicht allein da, und dies gilt für Innovation wie Ertrag gleichermaßen.

So ist das geräumige, aber doch kleine Büro mit den intensiv nach Lagerraum riechenden Regalen voller Vinyl und Polycarbonat in der noch nicht vollständig durchrenovierten Danziger Straße so etwas wie das stille Zentrum all dieser Weltraummusik (die „Weltraumforscher“ aus der Schweiz haben auch auf Staubgold veröffentlicht). Mittendrin sitzt Markus Detmer, schiebt an seiner Brille und raucht Selbstgedrehte, die ständig ausgehen, weil er die falschen Blättchen benutzt.

Hin und wieder lässt ihn die enge Zusammenarbeit mit seinen Künstlern auch den Schreibtisch verlassen. Zum Beispiel wenn er Hassle Hound, ein britisches Trio, das zu seinen Neuzugängen bei Staubgold gehört, demnächst auf Deutschlandtournee begleiten wird. Um als Mann für alles nach den Auftritten auch als DJ zu fungieren.

Nebenbei entstehen in diesem dichten Netzwerk auch ungewöhnliche Compilation-Projekte wie jüngst das mit der „FM3 Buddha Machine“ – einem kleinen Plastikding mit einem eingebauten Chip voller Soundschleifen. Es funktioniert als eine Art akustische Duftkerze oder als Soundzerstäuber und sorgt in einem Raum auf Knopfdruck für kleine Geräuschkulissen. „In Peking stehen diese Sounderzeuger in jeder Bar herum. Das haben die beiden Amerikaner von FM3 gesehen und sich überlegt, die Dinger selbst herzustellen. Mit eigenen Soundschleifen“, erläutert Detmer.

So entstand auch bei Staubgold die Idee der eigenen Compilation. 15 Künstler aus dem Umfeld des Labels haben sich mit dem in China sehr beliebten Spielzeug beschäftigt und Geräusche produziert. Diese hat Detmer jetzt zu der CD „Jukebox Buddha“ zusammengefasst. Mit dabei sind Thomas Fehlmann, sunnO))), Adrian Sherwood und Blixa Bargeld, der mittlerweile in Peking lebt und einfach das Vogelgezwitscher aus seinem Garten aufgenommen hat. Bizarr und schön. Wie vieles, was auf Staubgold erscheint.

„Jukebox Buddha“ (Staubgold) erscheint am 13. 11.; Konzert von Hassle Hound plus DJ-Set von Markus Detmer, Tarwater u. a., 17. 11. in der Zentralen Randlage, Schönhauser Allee 172 www.staubgold.com

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