Ein Ja mit Bauchschmerzen

Der Bundestag stimmte gestern zum fünften Mal nach 2001 dem Einsatz der Bundeswehr für „Enduring Freedom“ zu – vielleicht zum letzten Mal

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Ja. Noch einmal hat der Bundestag gestern der Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Kampf „Enduring Freedom“ zugestimmt. Damit ist das Mandat für ein weiteres Jahr verlängert worden, zum fünften Mal seit 2001. Deutschland verpflichtet sich, bei Bedarf Soldaten bereitzustellen – bisher waren es 2.800, gestern wurde die Zahl auf 1.800 gesenkt: 1.100 Seestreitkräfte, 100 KSK-Soldaten, 200 Luftstreitkräfte und 400 Mann Unterstützung. Sie werden in Afghanistan, am Horn von Afrika und im Mittelmeer eingesetzt.

Noch einmal also ein Ja des Parlaments – vielleicht zum letzten Mal. Denn die Zustimmung bröckelt, in allen Fraktionen. Noch nie haben so viele Parlamentarier mit Nein gestimmt. Die gesamte Linksfraktion sprach sich dagegen aus, erstmals die Grünen. SPD, Union und FDP stimmten zwar zu, jedoch mit Abweichungen: 13 Neinstimmen bei der SPD, 8 bei der Union, 4 bei der FDP. Etwa die CDU-Abgeordnete Michaela Noll: „Ich habe zum ersten Mal dagegen gestimmt“, so Noll gestern zur taz, „weil der Rückschritt in Afghanistan größer ist als der Fortschritt.“ Oder Klaus Barthel, ein „ganz normaler SPD-Abgeordneter, der sich Gedanken macht, ob man das Leben der afghanischen Bevölkerung und der Bundeswehrsoldaten gefährden darf“. Auch er hatte stets zugestimmt – bis gestern.

Doch auch unter den Befürwortern ist kaum einer mehr rückhaltlos vom Anti-Terror-Einsatz überzeugt. Das war offensichtlich. Viele begannen ihre Reden mit Sätzen wie: „Die Entscheidung ist der FDP nicht leicht gefallen“ oder „Dies ist die schwierigste Entscheidung über einen Auslandseinsatz in der letzten Zeit“. Auch scheint man insgeheim zu hoffen, die USA mögen doch bitte keine weiteren Soldaten anfordern, vor allem keine KSKler. Regierung und FDP verwiesen dennoch auf die Bündnispflicht gegenüber den USA. Diese hatten „Enduring Freedom“ mit der „Koalition der Willigen“ 2001 begonnen. CDU und FDP kritisierten, die Grünen zögen sich aus einem Einsatz heraus, den sie als Regierung mitzuverantworten hatten.

Die Grünen hatten um eine Position gerungen – das zeigte sich gestern daran, dass mehr als ein Drittel sich enthielt. Etwa die Außenpolitikerin Uschi Eid: „Ich verabschiede mich nicht von unserem Gesamtkonzept: dass wir politische, zivile und militärische Mittel für den Wiederaufbau brauchen.“ Grünen-Chef Fritz Kuhn dagegen rechtfertigte den Kurs seiner Fraktion: „Wir haben unser Konzept im Kampf gegen den Terror in Afghanistan nicht aufgegeben.“ „Enduring Freedom“ unterminiere jedoch dies. Sein Parteikollege Winfried Nachtwei bemängelt, die US-Armee habe neuerdings das Recht zur „willkürlichen Verhaftung Terrorverdächtiger“. „Die Anwendung folterähnlicher Verhörmethoden“ sei erlaubt. Die Grünen kritisierten zudem die Informationspolitik der Regierung beim KSK-Einsatz.

Zu Recht, wie sich gestern erneut bestätigte: Die KSK-Elitetruppe werde entgegen allgemeiner Annahme derzeit doch in Afghanistan eingesetzt, meldeten die Nachrichtenticker. Jedoch nicht unter dem Mandat von „Enduring Freedom“, sondern zur Unterstützung der Schutztruppe Isaf. Dies habe das Verteidigungsministerium erstmals bestätigt.