Wollen wir eine Lex Berlusconi?

Mit seinem Kaufangebot für ProSiebenSat1 ist der umstrittene italienische Medienmogul Silvio Berlusconi erst einmal gescheitert. Doch der Fall hat eine grundsätzliche Debatte ausgelöst: Soll der deutsche TV-Markt vor Übernahmen durch ausländische Medienkonzerne geschützt werden?

JA

Keine Frage: Alle Welt redet von Globalisierung, deren Chancen und Risiken – für den Einzelnen, die Wirtschaftsakteure, die Gesellschaft. Da wirkt die Forderung, nach einer Beteiligungsgrenze für Nicht-EU-Ausländer an deutschen Medienunternehmen auf den ersten Blick anachronistisch und provinziell. Ist sie aber nicht. Worum geht es? Das Ziel ist: Wir wollen Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit sichern. Das ist der Auftrag unserer Verfassung, der sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt.

Diese Aufgabe wird nicht leichter angesichts der Verknüpfung der Digitalisierung mit der Globalisierung. Dieser Vorgang hat nicht nur ökonomisch und technisch einen „revolutionären Charakter“. Beide Prozesse sind in vollem Gang und beide sind unumkehrbar. Sie beziehen sich auf wesentliche Lebensbereiche wie Ökonomie, Geldverkehr, Gesundheit und nicht zuletzt auf Kommunikation. Digitalisierung bedeutet, dass jedwede Information, global, schnell, umfassend, einzeln adressierbar, aber auch massenmedial bestimmt verbreitet werden kann.

Parallel zu diesen durch die Digitalisierung ermöglichten Entwicklungen vollzieht sich ein Paradigmenwechsel auf der ökonomischen Ebene der Kommunikationssysteme. Immer stärker bestimmen Finanzinvestoren und deren Kriterien das Geschehen auf den Kommunikationsmärkten. Diese Kriterien scheren sich nicht um bislang gültige Vorgaben wie Vielfaltssicherung oder diskriminierungsfreien Zugang. Das sind keine Attribute für den globalisierten Markt, da geht es um Investments und Rendite. Eine vielfältige Presse- Radio- und TV-Landschaft, der preiswerte und ungehinderte Zugang zu Informationen aller Art auch über das Internet spielt für Investoren eine nachgeordnete Rolle. Um diese wichtigen Ziele müssen sich Gesellschaft und Politik kümmern.

Es geht darum, die im internationalen Vergleich noch hervorragende deutsche Medienlandschaft in Quantität und Qualität zu erhalten und darum, dass wir unsere Verantwortung für diesen besonderen Markt ernst nehmen. Das Modell des Kaufens, Ausquetschens und Verkaufens richtet, wie Hubert Seipel in seinem Film über Grohe gezeigt hat, in einem Unternehmen und für die Beschäftigten verheerenden Schaden an, im Medienmarkt kann unsere Demokratie Schaden nehmen. Wir wollen aber auch faire Bedingungen für unsere deutschen Medienunternehmen. Warum soll einem US-amerikanischen Akteur auf dem deutschen Medienmarkt etwas erlaubt sein, was deutschen auf dem US-Markt verwehrt bleibt? Deswegen lohnt die Debatte über Beteiligung und Verantwortung – und über international faire Bedingungen.

MARC JAN EUMANN, SPD

NEIN

Das Interesse des Medienkonzerns Mediaset des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi an einem Erwerb des Unternehmens ProSieben-Sat1 hat in den letzten Tagen zu Diskussionen geführt. Dabei wurde insbesondere der Ruf nach Begrenzung der Beteiligung ausländischer Investoren im Medienmarkt laut. Die Bedenken gegen Berlusconi aufgrund seines Machtgebarens und der ungenierten Vermengung von medialem Geschäft mit politischem Mandat sind nachvollziehbar. Die Geschichte des regierenden Verlegers Berlusconi stellt ein Lehrstück über die möglichen Gefahren des Zusammenspiels von Medien und politischer Macht dar. Vor diesem Hintergrund erleichtert viele die Nachricht, dass Mediaset nicht in die Bieterliste von ProSiebenSat1 aufgenommen wurde. Berlusconis Vermengung wurde gerne als „staatliche Autobahn in die Köpfe der Italiener“ bezeichnet. Auch in einer Demokratie wie Italien wurde nicht zu Unrecht vor verzerrten, manipulierten und zensierten Informationen an die Öffentlichkeit gewarnt.

Der SPD-Vorschlag hat das Ziel, internationales Engagement bei deutschen Medienkonzernen zu verhindern, indem die Beteiligungen ausländischer Investoren an deutschen Medienunternehmen vom Staat begrenzt werden. Jenseits politischer Wunschvorstellungen ist eine auf höchstens 25 Prozent beschränkte Beteiligung an deutschen Medienunternehmen rechtlich nicht umsetzbar. Ein Gesetz zur Marktabschottung gegenüber europäischer Unternehmen verstößt klar gegen das Diskriminierungsverbot der EU. Dieses verbietet staatliche Maßnahmen, die zu einer direkten oder indirekten Diskriminierung von Staatsbürgern und Unternehmen aus einem der anderen Mitgliedstaaten aufgrund der Staatsangehörigkeit führen.

Die FDP spricht sich ausdrücklich für eine unabhängige und qualitativ ansprechende Fernsehlandschaft aus. Aber der Staat darf die Personen, die im Medienbereich unternehmerisch tätig sind, nicht nach gewünschter Staatsangehörigkeit oder Ideologie aussuchen. Unsere Medien, ob öffentlich- rechtlich oder privat, sind gemäß unserer Verfassung staatsfern. Der Staat hat lediglich darüber zu wachen, dass keine übermäßige Marktmacht bei einem Anbieter missbraucht wird und die gesendeten Inhalte den geltenden Gesetzen entsprechen. Über die Beteiligung an Sendern entscheiden die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich und die deutsche und europäische Kartellbehörde. Die Akzeptanz der Programminhalte bestimmt der Zuschauer mit der Fernbedienung. Und der Umstand, dass es Mediaset nach jüngsten Angaben letztlich gar nicht in die Bieterliste schaffte, zeigt einmal mehr, dass der Markt nicht selten die Dinge selbst am besten regelt, ohne dass der Staat in alle Lebensbereiche eingreifen muss.

RALF WITZEL, FDP