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„Heuchelei fand ich super“

Die Krawallshow „Kamikaze“ machte Niels Ruf bekannt. Jetzt versucht er sich im Digitalkanal Sat.1-Comedy an Late Night (21Uhr). Der Moderator über Tabus, Charlotte Roche und das Berlin-Ding

Interview David Denk und Daniel Müller

taz: Herr Ruf, die erste Ausgabe Ihrer neuen Show haben Sie damit begonnen, in einem Swing-Song damit zu kokettieren, dass Sie so lang weg vom Fenster waren. Warum?

Niels Ruf: Wenn man sich über andere Leute lustig macht, die ihren Arsch raushängen, und man jetzt selbst seinen Arsch wieder raushängt, muss man das als Anlass für einen Gag nehmen. Außerdem ist Singen eine meiner großen Stärken.

Ist uns gar nicht aufgefallen … Wo waren Sie eigentlich die ganze Zeit?

Ich habe die Pilotfolge für eine Sitcom gedreht, in der ich einen schmierigen Anwalt gebe, der die ganze Zeit Sex von seinen Mandantinnen will – klappt aber alles nicht. Außerdem habe ich bei Sony Pictures in Köln gearbeitet. Und mit meiner Firma Weltruf Videos und Werbung produziert – manchmal auch gar nichts. Wir haben zum Beispiel eine lustige Talkshow entwickelt – mit Brillenkameras. Aber die war allen zu wackelig. Ich habe also das Berlin-Ding gemacht: Projekte entwickelt.

Was war für Sie der Anreiz, auf den Bildschirm zurückzukehren?

Eine Late-Night-Show moderieren zu dürfen. Da kann man machen, was man will. Andere Sendungen, die stärker formatiert sind, liegen mir nicht so. Ich bin nicht der richtige Moderator fürs „Glücksrad“.

Wollen Sie dadurch auch „Dumm erwischt“ vergessen machen?

Eine ziemlich blöde Geschichte. Ich hatte mit RTL2 einen Optionsvertrag. Der Sender hat mich dafür bezahlt, sechs blöde Videoschnipsel-Shows zu machen. Mein Anwalt meinte: „Hör mal zu, wenn du die Sendung nicht machen willst, wird dich kaum einer dazu zwingen.“ Haben sie dann aber doch.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer bisherigen Karriere?

Ich bin rundum zufrieden. Alles, was möglich war, habe ich rausgeholt. Damals bei „Kamikaze“ durfte ich machen, was ich wollte. Nicht mal das Gesetzbuch hat mich gebremst. Deswegen habe ich geahnt, dass es danach nicht unbedingt leichter werden würde. Viele Sender haben gesagt: Wir finden das zwar sehr lustig, aber bei uns kann man trotzdem nicht 20 Minuten am Stück über satanische Rituale reden. Umso mehr habe ich es genossen, das bei Viva Zwei zu dürfen. Als alle Tabus zigmal gebrochen waren, wurde es aber langweilig.

Die Boulevardpresse hat Sie als „TV-Ferkel“ tituliert. Wie lebte es sich als Tabubrecher vom Dienst?

Es ging nicht nur um Tabubrüche, sondern darum, sich aufzuführen, als gäbe es weder Moral noch Benimmregeln oder Gleichberechtigung. Heuchelei fand ich auch super. Pornostars bejubeln, über Emanzen herziehen – aber wenn eine Frau zu Gast ist und sagt, dass sie ein großer Fan der Emanzipation ist, zu schleimen, natürlich, das finde ich auch super. Man muss schon sehr doof sein, wenn man das ernst genommen hat – haben aber einige. Durch die Beziehung zu Anke Engelke bin ich dann aus meinem kleinen Nischendasein rausgerissen worden. Plötzlich hieß es: Anke Engelkes Freund sagt Ficken im Fernsehen und macht sich über behinderte Kinder lustig. Mittlerweile bin ich übrigens kein TV-Ferkel mehr, sondern ein ausgewachsenes Schwein.

Nur lustig war diese Medienpräsenz bestimmt nicht.

Ich dachte, man steckt das weg, als TV-Ferkel gebrandet zu werden. Irgendwann lief die Kampagne aber 14 Tage am Stück, da wurde mir schon mulmig. Ich erinnere mich noch gut an eine Bild am Sonntag mit der Schlagzeile „Anke, lies mal das hier: die Akte der Schande“ und lauter Zitaten aus meiner Sendung. Die ernst zu nehmen, ist ungefähr so absurd, wie die Texte von Electro-Acts zu analysieren. „Kamikaze“ war eine Videoshow im Musikfernsehen, und ich habe zwischendurch ein Lebensgefühl rübergebracht.

Waren Sie damit zufrieden?

Das war halt ein Job. Im Gegensatz zu Charlotte Roche hatte ich nie den Anspruch, die Musik zu verstehen, die ich ansage. Je ernster die Spex sie genommen hat, desto ernster hat sie auch sich selbst und ihre Arbeit genommen. Da habe ich die Engländerin in ihr vermisst. Ich fand’s immer lustig, zwischen den Videos irgendeine Erwartung zu zertrümmern.

Die „Niels-Ruf-Show“ läuft bei Sat.1 Comedy nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wollen Sie aus der Nische bald zurück ins Free-TV?

Free-TV ist Aldi. Pay-TV ist der Gucci-Shop …

...Manufactum?

Lieber Gucci. Manufactum ist was für Erdkundelehrerinnen.

Steht dahinter die Einsicht, dass Niels Ruf nur in der Nische funktioniert?

Ich finde es richtig, das zum Start bei einem Pay-TV-Sender zu machen. Da ist der Druck nicht so groß. Klar hätte man immer gern viele Zuschauer, aber mal gucken: Vielleicht wandert die Show ja mal zu einem größeren Sender, ins Free-TV. Und wenn nicht, wird das auch seine Gründe haben, und wir werden froh sein, nicht vor den Augen aller gescheitert zu sein.

Sie klingen plötzlich so erwachsen.

Da schließt sich der Kreis zur Frage, was ich in der Zwischenzeit gemacht habe: Vor allem bin ich älter geworden und sterb so vor mich hin. Auf jeden Fall bin ich nicht mehr der superfreche Milchbubi. Die Rolle haben andere übernommen.

Namen, bitte!

Zum Beispiel Olli Pocher. Der hat bei den „Kamikaze“-Aufzeichnungen auch immer im Studio gesessen und eifrig mitgeschrieben.

Wie lange werden Sie die „Niels-Ruf-Show“ moderieren?

Geplant sind erst mal zwölf Shows à 45 Minuten.

Und danach?

Geht’s weiter – oder nicht. Wie’s halt so ist im Leben.

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