Kein Geld für Fehmarnbelt

Die Brücke über den Fehmarnbelt wird nicht gebaut, weil es kein Geld für das Projekt gibt, sagen grüne Verkehrspolitiker. Denn Wirtschaft und Banken wollen das Finanzrisiko nicht übernehmen, Deutschland hat kein Geld und die EU will keines geben

aus Lübeck SVEN-MICHAEL VEIT

Der geplante Brückenschlag über den Fehmarnbelt sei „ein Projekt aus vergangenen Zeiten“, sagt Michael Cramer. Die Brücke widerspreche der Verkehrsphilosophie der EU, die auf die Schiene setze. Und deshalb, da ist sich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament sicher, „wird es keine ausreichende Finanzierung aus Brüssel geben“. Und ein „aus Steuermitteln bezahltes milliardenschweres Denkmal“, ergänzt Karl-Martin Hentschel, grüner Fraktionschef im Landtag von Schleswig-Holstein, könne sich das Land und auch der Bund „nicht leisten“.

Die beiden Grünen präsentierten gestern im Lübecker Rathaus die Details der EU-Verkehrsplanung für die nächsten sieben Jahre, die im Dezember beschlossen werden soll. Und dazu ein „internes Ergebnisprotokoll“ der schleswig-holsteinischen Landesregierung, das im Gegensatz zu allen öffentlichen Äußerungen von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seines Wirtschafts- und Verkehrsministers Dietrich Austermann (beide CDU) steht. Danach haben auf einer „Investorenkonferenz“ zur Fehmarnbelt-Querung im September Banken und Bauwirtschaft jedes Finanz- und Verkehrsrisiko abgelehnt. „Die Brücke“, folgert Hentschel daraus, „wird nur gebaut, wenn der Staat sie vollständig finanziert.“

Das aber sei vollkommen abwegig, rechnet Cramer vor. Die Querung über die Meerenge zwischen Deutschland und Dänemark kostet nach aktuellen Schätzungen des dänischen Industrieverbandes „mindestens 4,1 Milliarden Euro“ (siehe Kasten). Von der Europäischen Union können „prioritäre grenzüberschreitenden Projekte“ mit bis zu 30 Prozent bezuschusst werden. Mit dieser Marge von bis 1,2 Milliarden Euro gehe Austermann „ständig hausieren“, kritisiert Cramer, sie sei aber „ein Luftschloss“.

Faktisch bereitgestellt von der EU werden aktuell lediglich 11,5 Millionen Euro – weniger als 0,3 Prozent. Der Verkehrsminister und die Große Koalition in Kiel „täuschen die Öffentlichkeit über die wahren Kosten“, sagt der EU-Parlamentarier. Hinzu kommen für den Ausbau der Straßen- und Schienenzufahrten auf dem Festland weitere zwei Milliarden Euro, und für die habe Brüssel nur mageren 4,1 Millionen im Haushalt vorgesehen. „Das“, sagt Cramer, „ist nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.“

Auch habe die Deutsche Bahn erklärt, bis 2020 kein Interesse am Ausbau der eingleisigen Schienenstrecke zwischen Lübeck und dem Fährhafen Puttgarden auf Fehmarn zu haben, ergänzt Hentschel. Die Bahn setze auf die zwar 160 Kilometer längere, „aber existierende“ Verbindung über Flensburg und die innerdänische Brücke über den Großen Belt. Zudem habe die Bahn „kein Interesse“ daran, den Fährverkehr auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby zu schwächen.

Der wird von der lukrativen Reederei Scandlines betrieben, einer gemeinsamen Tochter von Dänemark und Deutscher Bahn. Zwar steht sie zurzeit zum Verkauf (taz berichtete). In Verhandlungen mit interessierten Anlegern ist der Wert von Scandlines aber binnen zweier Jahre von 600 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro gestiegen. Für Hentschel “ein deutliches Signal, dass die Investoren nicht an den Bau der Brücke glauben“.

Auf der Investorenkonferenz für die Beltbrücke sei allerdings „der Ausschluss aller Konkurrenzverkehre“ gefordert worden, weiß die SPD-Bundestagsabgeordnete des betroffenen Landkreises Ostholstein, Bettina Hagedorn, zu berichten. Das jedoch sei eine „mit EU-Recht nicht vereinbare Forderung“, die Fährlinie von Staats wegen zu schließen, moniert Hentschel.

Da der öffentliche Finanzierungsanteil bei der Überbrückung des 19 Kilometer breiten Meeresarms somit auf tönernen Füßen steht, setzt die Bauwirtschaft auf das Modell der Staatsgarantien. Auf der Investorenkonferenz im September habe die Industrie ein sehr spezielles Verfahren „präferiert“, wie es in dem bislang vertraulichen Ergebnisprotokoll heißt. Danach würden Konzerne die Brücke bauen und betreiben, wenn sie „hierfür vom Staat ein definiertes jährliches Verfügbarkeitsentgelt erhalten würden“.

Das bedeutet feste Zahlungen aus öffentlichen Haushalten an ein Bau- und Betreiberkonsortium. Der Staat würde voll auf dem Risiko sitzen bleiben, die pro Jahr wahrscheinlich dreistelligen Millionenbeträge durch Einnahmen aus der Maut refinanzieren zu können. Denn ebenso wie die Banken sei die Bauwirtschaft laut Protokoll „nicht bereit, Verkehrsrisiken zu übernehmen, da sie die Verkehrsmengen nicht beeinflussen können“.

Die Prognosen aber liegen derzeit bei höchstens 12.000 Fahrzeugen am Tag. Und das, so teilte vorige Woche der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Jörg Hennerkes, dem Unternehmensverband Nord mit, würde „in Bad Oldesloe keine Umgehungsstraße“ rechtfertigen.