Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Lange Bänder durch den Raum, durch den Film und durch das Dorf. Maria Lai hat sie gespannt, damals 1981 in ihrem abgeschiedenen Geburtsort Ulassai auf Sardinien, auf den Fotos und dem Film, die diese Aktion dokumentieren – und jetzt auch in der Galerie Isabella Bortolozzi. Im Film sieht man die alten, knorrigen, ganz in schwarz gekleideten Damen, die Ziegenhirten und die kleinen Kinder des Dorfes, wie sie riesige Bahnen Stoff zu dünnen, langen Fetzen reißen, wie sie mit diesen Bändern Haus um Haus zusammenknoten, solange bis das gesamte Dorf ein großer, in sich verwobener Organismus ist. Dann tragen Bergsteiger das letzte Ende dieses Bandes auf den nahegelegenen Berggipfel. Es ist unglaublich pathetisch-poetisch, partizipativ und, ja, zutiefst ernst und ehrlich, irgendwie. Kurz: sehr, sehr schön. Lai, inzwischen über 90 Jahre, ist eine der großen alten Damen der italienischen Konzeptkunst, im Bermudadreieck zwischen Feminismus, Land Art und Arte Povera, und macht immer noch Kunst, wie einige skulpturale, an Webstühle erinnernde Arbeiten in der Galerie beweisen. Etwas jünger dagegen, ohne das Gewicht der Geschichte in ihrem Rücken, aber nicht weniger spannend ist die Ausstellung von Carla Black in der Galerie Capitain Petzel. Black hat in den schicken Räumen der Galerie so etwas wie eine gigantische Back-Party veranstaltet, deren Reste noch an den Wänden und dem Boden zu sehen sind. Mittem im Raum stehen jetzt riesige, quietschbunte Torten-Skulpturen, garniert mit ein bisschen knittriger Plastik-Verpackung inklusive Schleifchen. Niedlichkeitsterror der gemeinsten Sorte. Denn natürlich spielt Black hier mit Skulptur und weiblichen Stereotypen ein fieses Spiel – und führt den üblichen expressiven Gestus und dessen wuchtiges, natürlich männliches Großkünstlertum hinter der Sauerei ziemlich locker und gekonnt vor.

■ Maria Lai: „Il Nastro Celeste“, Di-Sa, 12-18 Uhr, bis 18. Dezember, Galerie Isabella Bortolozzi, Schöneberger Ufer 61 ■ Carla Black, Di-Sa, 11-18 Uhr, bis 22. Dezember, Galerie Capitain Petzel, Karl-Marx-Allee 45