Grünes Geld gegen Heuschrecken

Die Bochumer GLS-Bank hat ein Konzept für den Kauf der Freiburger Wohnungen durch die BürgerInnen entwickelt. Ähnliche Modelle seien auch beim Verkauf der LEG in Nordrhein-Westfalen möglich, den die Landesregierung beschlossen hat

von BENJAMIN WASSEN

Es geht um „bürgerschaftliches Engagement.“ Beinahe minütlich. Wenn der Vorstandssprecher der GLS-Bank, Thomas Jorberg, über Wohnbauprojekte spricht, fallen diese beide Worte in jedem dritten Satz. Denn ohne Eigeninitiative von Mietern würden genossenschaftliche Modelle einfach keinen Sinn machen, so Jorberg.

GLS steht für „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“. Als weltweit erste ethisch-ökologische Bank versuchen die Bochumer seit 1974 wirtschaftliches Kalkül und Nachhaltigkeit zu verbinden. Aktuell hatten sie ein Konzept entwickelt, wie 7.900 Freiburger Wohnungen, die die Stadt abtreten möchte, an Genossenschaften und Mieter verkauft werden könnten. So sollte verhindert werden, dass Heuschrecken-Investoren zuschlagen. Am vergangenen Sonntag haben die Freiburger dem Stadtrat dann aber den Verkauf per Bürgerentscheid komplett untersagt.

„Das ist erst einmal positiv“, sagt Thomas Jorberg. Denn das GLS-Modell hätte in einem offenen Bieterverfahren keine Chance gehabt. Gegen die Preise, die internationale Finanzinvestoren zahlen könnten, sei eine bürgerschaftliche Initiative machtlos. „Denn es ist ja so, dass wir alle unsere Konzepte offen legen müssen, um die Mieter der Wohnungen und regionale Baugenossenschaften für die Sache zu begeistern.“ Das ginge in einem Bieterverfahren natürlich nicht. Denn dann könnten die Heuschrecken ja einfach ins Konzept gucken, bestimmte Punkte übernehmen, ein wenig mehr Geld bieten – und weg wäre die Möglichkeit zu kaufen.

„Mit dem Bürgerentscheid ist aber unsere Idee nicht gestorben,“ sagt Jorberg. „Wenn sich der Qualm nach der Abstimmung gelegt hat wird man wieder klarer sehen. Das bürgerschaftliche Modell hat weiterhin gute Chancen,“ ist er sich sicher. Jetzt gelte es das Konzept zu verfeinern. Das Ziel: eine neue Wohnungsbaugenossenschaft in der die jetzige Freiburger Stadtbau GmbH aufgeht.

Finanziert werden soll der Kauf weitgehend über Kredite. Nur etwa 10 Prozent Eigenkapital sind laut Jorberg nötig. Und die sollen aufgebracht werden durch engagierte Bürger, Beteiligungen regionaler Wohnungsbaugenossenschaften und auch die Mieter. Die müssten dafür noch nicht einmal neues Geld in die Hand nehmen. „Denkbar ist zum Beispiel, dass einfach die Mietkautionen umgewandelt werden und die Mieter so Teileigentümer ihrer Wohnungen werden,“ erläutert der Vorstandssprecher der GLS-Bank. Die Bank selbst würde bei der Finanzierung helfen. Vor allem möchte sie aber koordinierend und strukturierend tätig werden.

„Im Hinblick auf die neue Genossenschaft müssen wir jetzt erst einmal klären, wie die Beteiligten vor Ort sich Dinge wie Instandhaltung, Ökologisierung und Mietermitverantwortung für die Zukunft wünschen.“ Wenn diese Pläne ausgereift seien, könne ein neuer Bürgerentscheid eingeleitet werden. „Mit dem jetzigen Entscheid ist ja nur der Politik untersagt worden, zu verkaufen. Aber wenn wir den Freiburger Bürgern ein überzeugendes Konzept präsentieren, können sie natürlich per Entscheid den Verkauf an die neue Genossenschaft bestimmen.“ Für diese Lösung werde man auch versuchen, die Stadt mit ins Boot zu holen. Denn die braucht schließlich immer noch rund 510 Millionen Euro, um sich zu entschulden.

Ein Konzept, das sich auf NRW übertragen ließe. „Es muss einfach immer gewährleistet sein, dass das bürgerschaftliche Engagement stimmt und die Mieter mitziehen,“ so Jorberg. Prinzipiell würden dann ähnliche Konstruktionen auch beim Verkauf der LEG möglich sein. Die Landesregierung hatte im Oktober entschieden, die rund 96.000 Wohnungen des landeseigenen Immobilienunternehmens verkaufen zu wollen. Experten gehen von einem Preis von bis zu vier Milliarden Euro aus. Ein Volumen, das für die GLS-Bank so nicht zu stemmen ist.

„Das ist aber gar nicht das eigentliche Problem. Es wäre einfach für den einzelnen Mieter in so einem Riesen-Konstrukt mit fast hunderttausend Wohnungen nicht greifbar, wo sich das Engagement auszahlt,“ meint der Vorstandsprecher der GLS-Bank. Konkrete Vorschläge der Mieter könnten nur schlecht vor Ort umgesetzt werden. „Denkbar ist aber eine Alternative, bei der die LEG-Wohnungen in kleineren Einheiten, etwa auf Stadtteilebene, in Genossenschaften überführt werden.“ Nur dann könnten die BürgerInnen gezielt auf die Qualität ihres Wohnumfeldes achten. Leider habe die Landesregierung aber eine solche Aufteilung der LEG vorerst ausgeschlossen.

Die Regierung will mögliche Investoren lieber mit einer Sozialcharta zu mieterfreundlichem Verhalten zwingen. Für Jorberg eine fragwürdige Praxis: „Schon allein, dass man beim Verkauf an einen Investor eine solche Sozialcharta braucht, um die Mieter zu schützen, spricht für sich. Das Problem ist doch folgendes: Künftig würde das Wohnen nur noch der Rendite dienen.“ Für die ethisch motivierten Banker aus Bochum ein Graus.