DVDESK
: Sein Name ist Schlamm

„Mud“ (USA 2012, Regie: Jeff Nichols). Die DVD ist ab circa 14 Euro im Handel erhältlich

Ein Südstaatenkaff, irgendwo in Arkansas. Hausboote, Wasserwege, der Mississippi. Auf einer Insel hängt seit dem letzten Sturm ein ziemlich großes Boot ziemlich weit oben in einem Baum. Zwei Jungs, Ellis und Neck, erkunden das Boot, das da hängt, und stoßen auf einen Mann, der hier lebt. Sein Name ist Mud, also Schlamm.

Matthew McConaughey spielt ihn, wie ihn nur Matthew McConaughey spielen kann: Südstaat all over, einer, der verwurzelt tut, aber entwurzelt ist. Er hat den Lover seiner Freundin Juniper (Reese Witherspoon) getötet, er hatte es verdient, so erzählt Mud die Geschichte. Mud und Juniper, große Liebe, erzählt Mud, und Ellis, der Junge, will es glauben, hat sich auch gerade verliebt. Er will auch glauben, dass Mud ein Freund ist, will alles einrenken zwischen Juniper und Mud, muss aber erfahren, dass man Liebesgeschichten auch anders erzählen kann.

Jeff Nichols, der Autor und Regisseur, stammt aus Arkansas. Man hat von Anfang an das Gefühl, dass alles stimmt, obwohl es sich vom Klischee nur durch die scharfen Konturen und die weichen Stimmungen unterscheidet, mit denen der Film es entwirft. Dass der Supermarkt der Kette „Piggly Wiggly“ im Kaff stimmt, dass die wortkargen Südstaatler stimmen und das Backwater-Gefühl, die Langsamkeit und die zerrüttete Ehe von Ellis’ Eltern.

Und weil das stimmt, kann Nichols es mit schöner Behutsamkeit ins Mythische weiten. Kann Sam Shepard als alten zurückgezogenen Schützen am Ufer des Flusses platzieren – und der Figur den Namen Tom Blankenship geben. (Ein Junge dieses Namens war einst das Vorbild für Mark Twains Huckleberry Finn.) Nichols kann auch David Wingos Musik, die sich selten zum Song formt, meist aber im Vorsongförmigen verharrt, übers offene Wasser gleiten lassen und er kann das Boot und Mud auf diese Insel setzen und ein Feuer anzünden und die bösen Geister vertreiben. Dieser Teil verliert den Charakter des Ausgedachten, des Traumhaften nie: So entstehen Übergangszonen zwischen dem mehr und dem minder Realen.

Und vor allem nimmt sich und gönnt Nichols dem Ort, den Figuren und der Geschichte, die er erzählt, viel Zeit. Zwei Stunden vergehen nicht wie im Flug, sondern als säße man auf der Insel am Feuer, als suchte man auf dem Boden des Sees nach Austern, als säße man am Ufer und täte fast nichts. Beinahe geschieht noch zu viel. Es fallen Schüsse, sterben Menschen.

Dann aber der letzte Blick, ins Freie hinaus, die Weite, das Wasser: Mud, vom Schlamm ganz befreit. EKKEHARD KNÖRER