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PROZESS Die gerichtliche Aufarbeitung eines Polizeieinsatzes beim evangelikalen „Christival“ geht in eine neue Runde. Angeklagt ist eine Aktivistin, beschuldigt der „falschen Verdächtigungen“ gegen die Polizei

Es könnte ein Fall von Polizeigewalt sein, gedeckt durch Korpsgeist, die Staatsanwaltschaft, am Ende womöglich sogar das Gericht. So sehen es zumindest jene, die hinter der Angeklagten O. stehen, die „Antirepressionsgruppe 2.5.08“. Es könnte aber auch alles auf einer „falschen Verdächtigung“ der Polizei beruhen, wie die Anklage behauptet. Und es könnte gut sein, dass das alles, am Ende eines langen Prozesses, nie richtig geklärt wird.

Angefangen hat es 2008 mit dem evangelikalen „Christival“, das auch Forum homophober Lehren war. Und einer Spontandemo queerer AktivistInnen. Zuerst war es ein Kiss-In in der Martini-Kirche, und als sie von dort, teils mit Schlägen, vertrieben wurden, setzten sie ihre Aktion am Marktplatz fort. „Von uns ging keinerlei Gewalt aus, dennoch wurden wir brutal geschubst und geschlagen“, so die Christival-GegnerInnen später.

Eine der AktivistInnen ist O., 35, die sich seit gestern vor dem Amtsgericht verantworten muss. Zwei Polizisten hatten sie – wie, das können sie heute nicht mehr genau sagen –, als „Rädelsführerin“ einer Gruppe von „Störern“ identifiziert. Und wollten ihr einen Platzverweis erteilen. Doch O., sagen die Polizisten, habe sich gegen die Feststellung ihrer Personalien gewehrt. Dann wurde es „etwas ruppiger“, sagt der eine, es hat „ein bisschen geknallt“, sagt der andere. Am Ende darf O. gehen, ohne sich auszuweisen, weil eine Polizeiführerin interveniert. Die Polizisten, sagen sie noch immer, waren danach „unzufrieden“, „frustriert“.

Eine Ärztin wird später mehrere Blutergüsse bei O. feststellen, dazu Prellungen, Quetschungen. Sie wurde mit einem Schlagstock geschlagen, so der Vorwurf an die Polizei. Die beiden Polizisten bestreiten dies für sich vehement, sie wollen nur „einfache körperliche Gewalt“ angewandt haben, können sich sonst aber an vieles nicht mehr so genau erinnern. Nein, sagen sie, sie hatten gar keinen Schlagstock dabei. Er sei „schockiert“ gewesen ob des Vorwurfs gegen ihn, sagt der Polizist W., und dass das „nicht einfach“ für ihn gewesen sei. Die Angeklagte wieder erkannt hat er nicht.

Was nun für die heute Angeklagte eine Körperverletzung im Amt darstellt, ist für die Anklage eine falsche Verdächtigung. Und darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Und der „nicht unerhebliche“ Tatvorwurf, sagt Staatsanwalt Uwe Picard, „scheint sich zu erhärten“. Er stellte bereits eine „saftige Geldstrafe“ in Aussicht. Doch derzeit stehen noch 39 weitere ZeugInnen auf der Liste. Die Frage: Woher kommen die Blutergüsse und Prellungen der O. – sie blieb gestern offen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klagen gegen das polizeiliches Vorgehen bereits abgewiesen. Polizeimaßnahmen werden „im Zweifel von den Gerichten gedeckt“ werden, sagte Theisohn damals. Ermittlungen gegen die Polizisten wegen Körperverletzung und Nötigung wurden eingestellt, ebenso wie umgekehrt jene wegen „versuchter Gefangenenbefreiung“. mnz