„Wie aus einem schlechten Film“

MESTIZO-SKA Zum zweiten Mal sind „Pantéon Rococó“ dieses Jahr hier auf Tour. Sänger Luis Román Ibarra über Gewalt in Mexiko, Rassismus in Deutschland und das neue Album

„Wir verurteilen das Verschwinden von Leuten und die staatliche Gewalt“

INTERVIEW KNUT HENKEL

taz: „Pantéon Rococó“ sind zum zweiten Mal in diesem Jahr in Deutschland auf Tour. Ist das eine Pause vom Alltag der Gewalt in Mexiko, Herr Ibarra?

Luis Román Ibarra: Na, zumindest werden wir hier in Deutschland nicht angehalten, mit vorgehaltener Waffe aus dem Bus gezerrt und abgetastet. So was ist uns in Mexiko schon öfter passiert, in Deutschland noch nicht. Aus dieser Perspektive ist die Tour in Deutschland schon so etwas wie eine Atempause von den schlechten Nachrichten in Mexiko.

Die Opfer der Gewalt sind in erster Linie Jugendliche, was bedeutet das für eine Band, die sich als Sprachrohr einer anderen Jugend versteht?

Es gibt einen Generationskonflikt in Mexiko, der sich natürlich auch bei der Analyse der gesellschaftlichen Situation bemerkbar macht. Von den Älteren ist immer wieder zu hören, dass eine harte Hand nötig ist und dass es ansonsten doch nicht schlecht läuft. Für die Jüngeren ist die Spirale der Gewalt hingegen ein Drama, das auch alternative Strukturen direkt bedroht. Das ist für uns ein Thema und die aktuelle CD, die wir auf der Tour vorstellen richtet sich auch explizit gegen die Gewalt. „Ejercito de Paz“, Friedensarmee, ist ein sehr bewusst gewählter Titel. Wir verurteilen in unseren Texten das Verschwinden von Leuten, die staatliche Gewalt und die Verhältnisse in unserem Land …

an denen sich anscheinend nicht geändert hat?

Nein, es wird nur immer schlimmer und die Leute erzählen uns, wenn wir wie vor acht Wochen in Tijuana spielen, was wirklich los ist. So bekommst Du trotz aller Polizei- und der Armeepräsenz mit, wie offen Kokain gedealt wird, obgleich die Regierung den Krieg gegen die Drogen und die Kartelle ausgerufen hat. „Was ist das für ein Krieg?“, fragt man sich da. Es hat den Anschein, dass man, wenn man den Richtigen bezahlt, in Ruhe gelassen wird. Wer hingegen nicht zahlt, der …

Klingt nach „Der Pate“ …

Ja, Mexiko ist ein Land wie aus einem schlechten Film und es sind die Kids aus den einfachen Stadtteilen, die systematisch angeworben werden und für zwei- oder dreihundert Dollar morden.

„Panteón Rococó“ hat mit dem „Festival des Widerstands“ gemeinsam mit vielen anderen Bands im Frühjahr versucht, Hintergründe der politischen Gewalt zu beleuchten und Alternativen aufzuzeigen. Was hat so ein Festival für eine Bedeutung?

Es zeigt, dass Mexiko auch ein anderes Gesicht hat. Dass es Leute gibt, die für ihre Rechte eintreten, die für mehr Perspektiven für Mexikos Jugend kämpfen. Wir haben durch unsere Konzerte in autonomen Jugendhäusern, in Jugendclubs in Deutschland erst gelernt, wie wichtig es ist, derartige Angebote zu machen. In Mexiko sind die kaum vorhanden und das wäre ein Ansatzpunkt, um den Kreislauf der Gewalt zu bekämpfen.

Was haben Sie noch aus Deutschland mitgenommen?

Wir haben erst in Deutschland begriffen, was Rassismus eigentlich bedeutet. Dazu hat ein Angriff auf einer Autobahnraststätte in Neuruppin vor fünf Jahren viel beigetragen. Wir wurden von Nazis angegriffen und die Polizei hat sich geweigert, unsere Anzeige aufzunehmen – sie haben die Hand über die Rassisten gehalten. Daraus haben wir viel gelernt, es hat uns die Augen geöffnet, danach haben wir erst richtig begriffen, wie rassistisch die mexikanische Gesellschaft ist. Das war lehrreich, andererseits haben wir hier in Deutschland nach dem Angriff sehr viel Solidarität erhalten.

Sind die Angreifer denn auch zur Rechenschaft gezogen worden?

Ja, letztlich sind sie verurteilt worden.

Und die Polizei, die die Anzeige nicht aufnehmen wollte?

Die glaube ich nicht. Das wäre aber in Mexiko auch nicht anders.

■ Do, 9. 12., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36