Aufklärer des Organskandals kannten sich nur halb aus

PRÜFBERICHT Bei der Einstufung von Dialysen ist Experten „ein Fehler unterlaufen“, so die Regierung

„Verdacht, dass die Kontrollen mit heißer Nadel gestrickt sind“

HARALD TERPE, GRÜNE

BERLIN taz | Sie sollten helfen, einen der größten Medizinskandale der Bundesrepublik aufzuklären. Doch die Prüfer, die die Bundesärztekammer ausschickte, alle Lebertransplantationszentren rückwirkend auf Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe der Jahre 2010 und 2011 zu überprüfen, haben ihren Job schlampig erledigt.

Im Jahr 2012 waren Vorwürfe bekannt geworden, wonach Ärzte an Transplantationszentren Patientendaten verfälscht haben sollen, um die Vergabe von Spenderlebern zu beeinflussen.

Die Bewertungskriterien der Prüfer, das geht nun aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor, sind kaum nachvollziehbar. Daneben haben die Prüfer in mindestens einem Fall – er betrifft umstrittene Dialysen, die ähnlich sowohl an der Klinik „Rechts der Isar“ in München als auch an der Uniklinik Münster durchgeführt wurden – mit zweierlei Maß gemessen. Wenngleich versehentlich, wie sie betonen: In München erkannten die Experten, geschuldet ihrer Unkenntnis über diese Dialysen, keinen Richtlinienverstoß, in Münster aber einen „systematischen“. Die Vergleichbarkeit der Zentren gerät so zur Farce.

Entsprechende Vorwürfe, die bereits externe Gutachter erhoben hatten (taz vom 25. 3. 2014), bestätigt nun die Bundesregierung: So kann sie nicht erläutern, wie im Detail das „festgelegte Schema“ sowie die „einheitlichen Kriterien“ der Prüfungskommission aussahen. Im Fall der ähnlichen Dialyseverfahren von München und Münster, die im Fachjargon Albumin und MARS heißen, gesteht die Regierung: „Bei der Bewertung der Albumindialyse im (…) Rechts der Isar ist den Kommissionen nach deren Angaben ein Fehler unterlaufen. (…) Die Kommissionen haben (…) damals nicht erkannt, dass es sich um ein MARS-ähnliches Verfahren handelt und insoweit unrichtigerweise einen Richtlinienverstoß verneint.“ Aufgefallen sei den Prüfern dies „erst nach Verfahrensabschluss“. Ihren Bericht zum Rechts der Isar vom 9. März 2013 hätten sie nicht mehr ändern können. Sie hätten ihre neuen Erkenntnisse jedoch „am 12. März 2013 schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft München geäußert“.

Pikant: Der Öffentlichkeit wurden sämtliche Prüfberichte erst im September 2013 vorgestellt. Ein Verweis auf den Irrtum erfolgte weder damals noch später. „Man wird den Verdacht nicht los, dass die Kontrollen mit heißer Nadel gestrickt sind“, sagt der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe und fordert, die Verantwortung in öffentlich-rechtliche Hände zu geben. Die Regierung sieht hierfür keinen Anlass: „Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, den Stand der medizinischen Wissenschaft zu bewerten.“ HEIKE HAARHOFF