König von Konsolien

Am Wochenende kam in Japan die Playstation 3 auf den Markt – mit Anlaufschwierigkeiten. Doch dies wird den Erfolg der Spielekonsole nicht schmälern, wenn sie im März in Deutschland erscheint

Die Wartenden wüteten vor den Läden – der übliche Japan-Wahnsinn

VON DAVID DENK

Vor zwei Tagen hat taz zwei einen Text über Traceure veröffentlicht, die Regenrinnen herunterrutschen und von Haus zu Haus springen oder klettern – die Großstadt ist ihr Abenteuerspielplatz.

Doch mit diesem sportlichen, für manche gar politisch motivierten Zeitvertreib („Rückeroberung des öffentlichen Raums“) namens Parkour könnte es schon sehr bald vorbei sein: Es wird Winter, und statt der Traceure erobern die Naturgewalten den öffentlichen Raum zurück – Frost, Glatteis: Vorsicht, Rutschgefahr! Und wenn es dann wieder Frühling wird, werden viele der Traceure trotzdem zu Hause bleiben und für die nächsten Monate nur noch genau einmal vor die Tür gehen: um sich eine Playstation 3 zu kaufen.

Die am Wochenende in Japan eingeführte Spielekonsole soll im März 2007 auf den europäischen Markt kommen und wird ganz sicher die Langeweile vertreiben, aus der heraus die Traceure mit dem urbanen Rutschen und Hopsen angefangen haben. Der Vorläufer, die Playstation 2, erschien vor Ewigkeiten, am 24. November 2000. Und nachdem alle Spiele durchgedaddelt waren, kam der Franzose David Belle auf die Idee, die virtuellen Jump-’n’-Run-Spiele einfach in die Wirklichkeit zu verlegen. Parkour war geboren. So muss es gewesen sein.

„Sonys Konsole ist nicht abwärtskompatibel“, titelte Spiegel Online dieser Tage und meinte damit, dass 200 von den insgesamt 8.000 für die ersten beiden Modelle programmierten Spielen auf der PS 3 nicht laufen. Wer dies in Japan am Wochenende feststellen konnte, hatte vielen Landsleuten etwas voraus: eine Playstation 3. Denn längst nicht jeder, der eine haben wollte, bekam auch eine. Wegen Produktionsschwierigkeiten konnte Sony zunächst nur 100.000 Geräte auf den hungrigen Markt werfen. Vor den Elektronikgeschäften mussten die Wartenden mit Megafonen in Schach gehalten werden – der übliche Japan-Wahnsinn.

Ob auch die deutschen Daddler die Läden stürmen und für ihre PS 3 kämpfen werden? Markus Schwerdtel geht fest davon aus. „Die Playstation ist zum Synonym für Videospiele geworden“, sagt der stellvertretende Chefredakteur des Videospiele-Magazins GamePRO.

Als man ihn anruft, baut er gerade mit Kollegen die frisch eingetroffene Redaktions-PS-3 auf. Voller Vorfreude glaubt er nicht daran, dass Sony die Anlaufschwierigkeiten in Japan gefährlich werden können: „In dem Moment, in dem der Kunde im Laden steht, die Konsole und die geilen Spiele sieht, ist es ihm wurscht, was früher mal war.“ Auch er werde sich eine eigene Playstation 3 zulegen – ist doch Ehrensache.

Dann beginnt er, von den Problemen der PS 3 zu erzählen, schränkt jedoch ein, dass dies „Businessüberlegungen“ seien, worüber die meisten Kunden nicht nachdenken würden: Unklar sei, ob sich die Blue-Ray-Disc als Speichermedium für hochauflösende Filme durchsetzen kann oder ob dieses Format eine Ausstattungskomponente ist, „die man zwar mitbezahlt, aber nicht braucht“.

Darüber hinaus sei Sony zum ersten Mal Nachzügler: Mit Erscheinen der PS 2 setzte der Konzern Maßstäbe, Microsoft zog mit der Xbox nach; jetzt kommt die PS 3, die Xbox 360 ist schon lange da – und mit ihr das Onlinenetzwerk Xbox Live, über das man Mitspieler suchen, Spiele runterladen und chatten kann. „So was muss Sony erst mal hinkriegen“, sagt Markus Schwerdtel von GamePRO. Letztlich gehe es darum, zu beweisen, dass Sony zu Recht die Nummer eins auf dem Markt ist.

Zur Markteinführung wird die Playstation 3 in Deutschland mindestens 499 Euro kosten (mit 20-GB-Festplatte), in der 60-GB-Version sogar 599 Euro – eine ganz schöne Stange Geld. Parkour ist auf jeden Fall billiger, und die Traceure laufen zudem nicht ständig Gefahr, von einer neuen, technisch optimierten Generation abgelöst zu werden.

Denn die nächste Spielekonsole kommt bestimmt und weckt neue Begehrlichkeiten. Und so ist es mehr als ein Running Gag, wenn Cartman die gesamte aktuelle Staffel von „South Park“ hindurch ungeduldig und unablässig auf die neue Xbox wartet: ein Spiegel unserer Konsumgewohnheiten nämlich, eine kritische Reflexion des Zeitgeists.