Jamaika im Hinterhof

Das Yaam am Ostbahnhof erhält morgen den Mete-Eksi-Preis für die Integration von Jugendlichen. Ausgezeichnet wird die Zusammenarbeit mit jungen MigrantInnen aus Afrika und der Karibik

VON SEBASTIAN KRETZ

Leicht könnte man das Tor übersehen, das auf den Hof führt. Nur ein lang gestrecktes Backsteinhaus steht darauf, ein früheres Industriegebäude. Hier liegen Bauzäune herum, dort steht ein alter Lastwagen. Nur die Graffiti an den Mauern deuten darauf hin, dass inmitten der Tristesse gegenüber dem Ostbahnhof der Young African Arts Market liegt – besser bekannt als Yaam. Der multikulturelle Jugendtreff erhält morgen den Mete-Eksi-Preis für die Integration von Jugendlichen (siehe Kasten).

Der Grund dafür lässt sich am besten im Sommer beobachten. Dann verwandelt sich der Hof in einen afrikanischen Markt: Hier werden frisches Essen und Kunst verkauft. Direkt daneben toben sich Basketballer aus. Am Ende des Hofes geht es zur Spree hinab, auf dem Sandstrand spielen Jugendliche Beachvolleyball, weniger Sportliche lümmeln mit Cocktails am Ufer. Am Wochenende gibt es Reggae-Partys, der ausrangierte Lastwagen wird dann zur Hauptbühne.

Yaam ist indes mehr als ein Vergnügungspark: „Wir haben den Treffpunkt als gemeinnützigen Verein gegründet, damit afrikanische und karibische Jugendlichen ihre Freizeit nicht auf der Straße verbringen müssen“, sagt Gründer Ortwin Rau.

Angefangen habe alles 1994 mit einem Basketballfeld in Treptow. „Wir sind der Vagabund der Projektelandschaft“, klagt der Sozialpädagoge. Der Bezirk habe jedoch nach zwei Jahren den Mietvertrag gekündigt, das angebotene Ersatzgrundstück in Köpenick „war uns zu riskant“, berichtet der 52-Jährige. Die schwarzen Jugendlichen hätten sich dort nicht sicher gefühlt.

Also ging es zunächst nach Kreuzberg, dann doch wieder zurück nach Treptow. Seit zwei Jahren ist das Yaam am Ostbahnhof. „Alle sechs Monate müssen wir den Mietvertrag verlängern“, beklagt Rau. Nachdem auch in dieser Gegend das Baufieber ausgebrochen sei, wisse man wieder nicht, wie lange das Yaam am Ostbahnhof noch bleiben könne.

Rau wünscht sich für das Projekt deswegen auch nicht unbedingt öffentliches Geld, sondern vor allem Planungssicherheit. „Schließlich tragen wir dazu bei, dass junge Menschen eine Aufgabe haben und nicht auf der Straße Stress machen.“ Außerdem würden zwei Auszubildende, ein Zivildienstleistender und einige 1-Euro-Jobber im Yaam arbeiten.

Die kühlen Temperaturen bringen indes keinen Stillstand. „Es gibt auch jetzt noch Konzerte, vor allem am Wochenende“, erklärt Lea Rau, Tochter des Gründers und für Gastronomie zuständig. Im November steht Reggae auf dem Programm. Die Künstler müssen aber nicht aus Jamaika eingeflogen werden. „Es gibt eine große Berliner Reggae-Szene“, so Rau senior.

Ganz unproblematisch ist diese Kultur nicht: Vor allem in der aggressiven Dancehall-Musik seien viele Texte sexistisch und schwulenfeindlich, sagt Pädagoge Rau. „So etwas wollen wir hier nicht. Unsere Künstler sind friedlich, in ihren Texten geht es um Gesellschaftskritik und Grasrauchen.“ Daher komme es im Yaam kaum zu Konflikten, obwohl viele Kulturen aufeinanderträfen. Eine Zeit lang hätten ein Palästinenser und ein Israeli mitgearbeitet. „Die hatten überhaupt kein Problem miteinander.“