THOMAS RUTTIG ZU DEN PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN IN AFGHANISTAN
: Was zählt

Wie erwartet, wurde Afghanistans Präsidentenwahl nicht bereits in der ersten Runde entschieden. Klar ist: Es gaben gerade junge Afghanen ein Votum der Unzufriedenheit mit dem scheidenden Amtsinhaber, gegen die Gewalt der Taliban und für die Anwendung demokratischer Spielregeln ab. Unvorhersehbar bleibt der Ausgang der Stichwahl am 14. Juni, weil die Wähler beginnen, sich von überkommenen Mustern zu lösen, und ethnische Loyalitäten langsam aufweichen.

Diese Wahlen demokratisch zu nennen, wäre trotzdem vermessen. In Afghanistan stimmen immer noch Männer oft für „ihre“ Frauen mit; und Dorf- und Stammesführer für „ihre“ ganzen Dörfer ab. Deshalb klingt vor allem der hohe Frauenanteil von 36 Prozent an der angeblichen Wahlbeteiligung von fast 7,2 Millionen unglaubwürdig. Schon bei der Fälschungswahl 2009, die Karsai gewann, wurde am meisten in den Frauenwahllokalen manipuliert.

Und wieder gibt es Geisterwahllokale und „gestopfte“ Urnen. Zudem betrachten Kandidaten wie Wähler die Wahlinstitutionen nicht als unparteiisch; trotzdem entscheiden diese oft genug im Schnellverfahren über Tausende von Wahlbeschwerden. Wenigstens sieht es so aus, dass anders als 2009 die manipulierten Stimmen besser verteilt sind.

Das alles wird sich am 14. Juni wiederholen. Wie auch immer der Ausgang sein wird – der Gewinner muss dem Ruf nach Veränderung, weniger Korruption und besseren Lebensverhältnissen Rechnung tragen. Nicht zuletzt dadurch, dass die Posten in der neuen Regierung nicht wieder unter den alten Warlord-Netzwerken verteilt werden.

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