Tödliche Knastfolter hat Folgen für Justiz

Nach dem grausamen Mord an einem Häftling in der Siegburger Justizanstalt prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie Ermittlungen gegen Gefängniswächter aufnimmt. Strafvollzugsbedienstete klagen über zu wenig Personal

DÜSSELDORF taz ■ Im Fall des Mordes an einem Häftling in der Siegburger Justizanstalt (JVA) am vergangenen Wochenende hat die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) jetzt eine Panne eingeräumt. „Es handelt sich um den tragischen Tod eines jungen Menschen, den wir im Vollzug hätten verhindern müssen. Leider ist uns das nicht gelungen“, sagte Müller-Piepenkötter gestern im Westdeutschen Rundfunk. Gegen die Mitarbeiter der Haftanstalt würden jetzt „disziplinarische Vorermittlungen“ aufgenommen, erklärte sie im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags. Außerdem sollten die Kontrollen in den Gefängnissen verschärft und die Haftbedingungen untersucht werden.

In der Nacht zum Sonntag hatten drei Häftlinge der JVA Siegburg ihren Zellennachbarn über Stunden grausam gequält und dann stranguliert. Die weitgehend geständigen Täter sind zwischen 17 und 20 Jahre alt und saßen wegen Raubes und Körperverletzung beziehungsweise Diebstahls ein. Sie hatten ihren Mithäftling unter anderem gezwungen, Urin zu trinken. Außerdem vergewaltigten sie ihn mit einem Gegenstand. Danach versuchten sie, ihr Opfer zu erhängen. Offenbar, „um zu sehen, wie es ist, wenn ein Mensch stirbt“, erklärte der Bonner Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel gestern der taz. Nach drei erfolglosen Versuchen mit Elektrokabeln fertigten sie einen Strick aus Bettlakenstreifen. Damit strangulierten sie ihr Opfer.

Von den Vorfällen nahm zunächst allerdings niemand Notiz. Zwar gelang es dem Opfer, einen Alarmknopf zu bedienen. Als aber die JVA-Beamten über die Gegensprechanlage nachfragten, versicherten die Täter, dass sie den Knopf nur aus Versehen bedient hätten. Auch als sich Häftlinge aus anderen Zellen über die Lautstärke beschwerten und ein Vollzugsbediensteter die Zelle betrat, fiel ihm offenbar nichts Ungewöhnliches auf. Das Opfer lag in seinem Bett, die Täter sagten, er schliefe, und der Krach sei nur deshalb entstanden, weil sie ihre Möbel gerückt hätten.

Oberstaatsanwalt Apostel erklärte, es sei ihm „absolut unverständlich“, dass die Gefängniswächter von dem stundenlangen Martyrium des Opfers nichts mitbekommen haben wollen. „Das ist schwer nachvollziehbar.“ Daher werde jetzt geprüft, ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Gefängnisaufseher einleite. „Es besteht die Verpflichtung für uns aufzupassen, dass den Insassen im Gefängnis nichts passiert.“

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) nahm die Siegburger Vollzugsbeamten dagegen in Schutz. „Das hätte überall passieren können und das kann immer wieder vorkommen“, sagte Klaus Jäkel, NRW-Vorsitzender des BSBD. Die Gefängnisse hätten schon jetzt viel zu wenig Personal. Im kommenden Haushalt würden weitere Stellen abgebaut, weil mehr Gefängnisangestellte in Rente gingen als eingestellt würden. Zudem nehme die Gewaltbereitschaft in den Gefängnissen – wie auch in der Gesellschaft – immer weiter zu. Diese Gewalt werde „von außen in die Gefängnisse hineingetragen“. Die Vollzugsbeamten müssten dann „damit fertigwerden“. „Wir alle sind gefordert“, betonte Jäkel. „Das ist nicht nur ein Problem der Politik und der Justizvollzugsanstalten, sondern der Gesellschaft.“

BENJAMIN WASSEN
SUSANNE GANNOTT