nicht verpassen!
: Roadmovie

„Aus der Ferne“ So., 21.15 Uhr, 3sat

Eigentlich ist „On the Road“, dieses uramerikanische Märchen, auch ein türkisches. Schließlich ist die Türkei schon immer ein Transitland gewesen. Handelsrouten, Kreuzzüge, später der Aufbruch der Väter aus den Dörfern in die Städte bis nach Istanbul und von dort nach Bocholt, Bochum, Berlin.

Nun ist Thomas Arslan, der deutsche Filmemacher mit dem türkischen Vater, diese Wege nachgefahren. Entstanden ist dabei der großartig sprachlose Film „Aus der Ferne“, ein Bildband beinahe. Von den Stehtribünen Besiktas Istanbuls bis in einen klapprigen Linienbus in der Stadt Van ganz im Osten des Landes.Von einer der vielen Nähstuben, die die Türkei zum zweitgrößten Textilproduzenten der Welt gemacht haben, bis in eine Shopping Mall am Schwarzen Meer.

Thomas Arslan kommentiert wenig bis nichts in seinem Film. Acht oder neun Sätze sind es, verteilt auf eineinhalb Stunden. Zumeist nur knappe Ortsangaben, immer in halb geöffnete Hotelfenster und den Himmel über einer Stadt hinein gesprochen. „Istanbul im April 2005. Istanbul ist der Ausgangspunkt meiner Reise durch die Türkei. Die Türkei ist das Land, aus dem mein Vater stammt, ich bin seit zwanzig Jahren nicht mehr hier gewesen“, gibt er zu Beginn die Route vor. Wenngleich auch das eine Finte ist.

Denn hier sucht einer weder den Vater noch die eigene Kindheit noch überhaupt irgendwas. Der 44-jährige Filmemacher will nichts beweisen, nichts erklären und schon gar nichts widerlegen. Ja wenn dieser Film überhaupt eine politische Agenda hat, dann diese, ein Land in seiner Schönheit, Tristese, Lakonie und Alltäglichkeit abzubilden.

Um so konsequenter ist es, dass „Aus der Ferne“ so ganz und gar ohne Protagonisten auskommt; dass uns die Menschen genauso flüchtig begegnen wie die Hafenmauern und die Häuserecken. Auf inszenierte Bilder allerdings musste Arslan trotzdem nicht verzichten. Der Alltag hat sie ihm oft genug an den Wegesrand gestellt. Eine riesige türkische Fahne inmitten eines Zypressenhains etwa oder das groteske Soldatenballett vor dem Atatürk-Mausoleum in Ankara.

Vielleicht soll so etwas aber auch einfach nur die Blicke schärfen. Schärfen für einen Film, denn man beim Durchzappen wahrscheinlich übersehen würde. CLEM