Vollzugsbeamte im Visier

Nach dem Foltermord in der JVA Siegburg geraten die Vollzugsbediensteten immer mehr in den Blick der Staatsanwaltschaft. Die Vernehmungsprotokolle werden ausgewertet

VON BENJAMIN WASSEN

Übers Wochenende wollte die Bonner Staatsanwaltschaft Ruhe haben. Zum Auswerten der Vernehmungsprotokolle. Genaueres – wie etwa zur Mitschuld der Vollzugsbeamten – könne man daher noch nicht sagen, so der Sprecher Oberstaatsanwalt Fred Apostel.

In der Justizvollzugsanstalt Siegburg war in der Nacht zum 12. November ein 20-jähriger Häftling von seinen drei Zellennachbarn stundenlang gefoltert und dann erhängt worden. Die diensthabenden Vollzugsbeamten hatten von dem Vorfall keine Notiz genommen. Und dass, obwohl das Opfer den Notruf betätigt hatte und später sogar zwei Wärter in der Zelle waren, weil andere Häftlinge sich über den Lärm beschwert hatten.

„Es wird zu klären sein, ob die Vollzugsbeamten eventuell sogar Beihilfe durch Unterlassen geleistet haben“, sagte Apostel. Einen Bericht des Focus, wonach der mit 17 Jahren jüngste Täter die anderen angestiftet habe, wollte er nicht bestätigen. „Alle drei sind in unseren Augen Mittäter“, so Apostel am Sonntag in Bonn. „Ob man rauskriegt, wer der Anführer war, das kann ich derzeit noch gar nicht sagen.“

Unterdessen wurden auch im Justizministerium „disziplinarische Maßnahmen“ gegen die diensthabenden Beamten diskutiert. Die Ministerin, Roswitha Müller-Piepenkötter, war Ende vergangener Woche von der Opposition zum Rücktritt aufgefordert worden. Am Wochenende erhielt sie dann Rückendeckung aus der Staatskanzlei. „Die Ministerin wird selbstverständlich im Amt bleiben“, so ihr Sprecher Ulrich Hermanski am Sonntag. „Wir arbeiten weiter und diskutieren im Moment, wie wir es kurzfristig schaffen, die Vollzugsbeamten in den Gefängnissen zu entlasten.“

Die deutsche Vereinigung für Jugendgerichte forderte am Wochenende die Politik auf, die Jugendhaft nicht zum „Verwahrvollzug“ verkommen zu lassen. Nach einem Verfassungsgerichtsurteil muss der Jugendstrafvollzug künftig von den einzelnen Ländern geregelt werden. Das Ziel „Resozialisierung“ dürfe dabei nicht „bloßes Lippenbekenntnis“ bleiben, so die Jugendgerichtsvereinigung in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Neuen Richtervereinigung und dem Strafrechtsausschuss des Kölner Anwaltvereins. Ein Konzept, das dem gerecht würde, sei „ein Wohngruppenvollzug in überschaubaren Formen und mit festen Ansprechpartnern.“

Der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Anton Bachl, sagte in der Bild am Sonntag, es fehlten in Deutschland mindestens 5.000 Einzelhafträume und 3.000 Strafvollzugsbeamte. Auch die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter forderte zusätzliche Zellen. Es sei grundsätzlich abzulehnen, nachts mehrere Gefangene in eine Zelle zu schließen, so der Vorsitzende, Wolfgang Fixson.

Im Siegburger Fall aber heißt es warten. Auf die Staatsanwälte. Und ihr Aktenstudium.