Hosen für die armen Landsleute

Neue Solidarität: Ein Neuköllner Afghane sammelt mit zwei türkischen Freunden Altkleider für Berliner Obdachlose – als Dankeschön für die Hilfsbereitschaft der Deutschen. Der Spendenregen setzte allerdings nur zögerlich ein

Alle Jahre stellen die Deutschen neue Spendenrekorde auf, sie geben Geld für Tsunami-Opfer oder engagieren sich für Kinder in aller Welt, die keinen Zugang zu Bildung und sauberem Wasser haben. Im Heimatland der Spender malen dagegen Armutsberichte düstere Bilder, der Hauptstadt dieses Landes geht es gar so dreckig, dass sie mit ihrer Pleite kokettieren muss.

Der Neuköllner Deutschafghane Wakil dreht jetzt den Spieß um, denn Armut in Berlin findet er gar nicht sexy. Gestern Nachmittag übergab er dem Gesundheitszentrum für Obdachlose in Mitte einen wahren Spendenregen für arme Deutsche: 42 Herrenhosen, 12 Paar Schuhe, 19 Garnituren Damenunterwäsche und einen Haufen Hemden, Socken und Schals hat der Medizinstudent während seiner Aktion „96 Stunden“ gesammelt.

Dem 26-Jährigen ist es durchaus ernst: „Die Deutschen haben mir und meinem Land viel geholfen, die Spendenaktion ist mein Dankeschön für diese Hilfsbereitschaft“, sagt Wakil. Als er vier Jahre alt war – es war die Zeit der sowjetischen Besatzung Afghanistans – habe ihn seine Familie in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt. „Ich konnte hier in den Kindergarten gehen, habe Bafög erhalten und kann studieren“, so Wakil.

Als er im Radio hörte, dass das Gesundheitszentrum in Mitte schlecht für den Winter gerüstet sei, habe er helfen wollen. Innerhalb von 96 Stunden sollte das Haus auf Vordermann gebracht werden. „Ich hatte vier Tage frei und wollte etwas dazu beitragen. Also bat ich alle meine Freunde und Kommilitonen, ihre alten Kleider zu spenden“, sagt der Student.

Die hätten allerdings wenig Mitgefühl gezeigt: „Ich war der einzige, der sich von seinen alten Hosen trennen wollte“, klagt Wakil. Enttäuscht rief der Afghane seine Freunde ein zweites Mal auf, doch endlich etwas zu tun. Um den Schritt zur Spende zu erleichtern, bot er ihnen sogar an, die Altkleider abzuholen. „96 Stunden lang bin ich mit zwei türkischen Freunden durch Berlin gefahren und habe Hosen, Hemden und Strümpfe abgeholt“, erzählt Wakil.

Einer der beiden ist Mustafa, der einen Dönerladen in Neukölln betreibt. „Zu mir kommen fast nur Deutsche, ohne sie würde ich nichts verdienen“, sagt der 27-Jährige. Viele hätten allerdings „Mitte des Monats kein Geld mehr“, so Mustafa. Es müsse also etwas getan werden.

Beim zweiten Mal hatten die drei mehr Glück, und Wakil musste sein Wohnzimmer leerräumen, um die Altkleider lagern zu können. „Die Sachen sind alle in sehr gutem Zustand“, lobt der Spendensammler. Sogar teure Markenhosen seien dabei.

Die Aktion soll indes einmalig bleiben. „Das Gesundheitszentrum war nicht besonders an meinem Projekt interessiert“, so Wakil. Vielleicht ist mit der guten Ausbeute aber auch schon das gröbste Elend behoben.Sebastian Kretz