Im Bahnhof Südkreuz
: Ruhe statt Chaos

Die halb verwaiste Wartehalle des Bahnhofs Südkreuz schreit geradezu: „Hier ist etwas passiert!“ An einem normalen Tag würden nicht so viele Polizeibeamte um die Treppen zu den Bahnsteigen herumstehen, würden nur zwei Handvoll Reisende auf Bänken herumlümmeln und Kameramänner mit Stativen und Reporterinnen mit Block im Anschlag umherirren. Es ist kurz nach elf. Vor einer Dreiviertelstunde, um 10.25 Uhr, ist auf Gleis 3, direkt unter der Wartehalle, eine S-Bahn in einen Gleismesswagen gefahren. Man würde Chaos erwarten. Stattdessen: Ruhe.

Nach dem Unfall ist der Bahnsteig für die Öffentlichkeit sofort gesperrt worden. Nur die herbeigeeilten Einsatzkräfte und die Passagiere können sich ein Bild machen von dem, was eine Nachrichtenagentur später völlig übertrieben ein „Bild der Verwüstung“ nennen wird. Für die Beteiligten ist es trotzdem ein Schock. „Da unten ist ein Riesenchaos, es gibt viele Verletzte“, berichtet ein Passagier, der aus einem Zug am gegenüberliegenden Gleis ausstieg.

So schlimm ist es zum Glück nicht. Zwar drängen sich die Feuerwehrwagen vor dem Eingang, Rettungshelfer transportieren Verletzte auf Bahren ab, und über dem Bahnhof kreist ein Hubschrauber. Doch die Aufräumarbeiten sind schnell beendet. Feuerwehrsprecher Frieder Kircher lobt später: „Wir hatten hier Idealbedingungen für den Abtransport der Verletzten, alles ist sehr vernünftig gelaufen.“ Das Unglück wirkte eher wie die Probe für den Ernstfall: „Die meisten Verletzten haben nur leichte Platzwunden, die beiden Schwerverletzten sind außer Lebensgefahr“, erklärt am Mittag der leitende Notarzt Jörg Beneker. Eineinhalb Stunden nach dem Unfall sind alle Passagiere versorgt, nur die Spurensicherung am Bahnsteig ist unterbrochen. Zu viele Journalisten behindern die Arbeit.

Ein weitgehend intakter S-Bahn-Zug steht auf dem Gleis, in etwa 30 Meter Entfernung steht der gerammte Gleismesswagen. Arg mitgenommen sieht er nicht aus. Im Gegensatz zum Führerhaus der S-Bahn: Die Frontscheibe des Zuges ist zertrümmert, Bänke und Gänge des ersten Waggons sind von Scherben übersät. Wäre die S-Bahn ein Auto, würde man wohl von einem mittelschweren Unfall ohne Tote sprechen. Bei der Bahn, wo alles eingetaktet ist, wiegt ein solcher Zusammenstoß schwerer.

Doch die Ursache des Unglücks ist auch am späten Montagnachmittag noch unbekannt. Immerhin: Auf den anderen Gleisen fuhren die Züge kurz nach dem Unglück wieder. S. Kretz, D. Schottner