Herr Modi und die Mutter Ganges

INDIEN Bei dem Wahlsieger und seiner Hindu-Nationalisten-Partei gehen Religion und Politik ineinander über. Der künftige Premier verspricht mit geistlichem Segen ein starkes Indien, fordert Respekt – und bekommt ihn auch

Trotz scharfer Töne könnte ausgerechnet Modi die Beziehung zu Pakistan verbessern

AUS MULSHI LALON SANDER

Ein spektakuläres Wahlergebnis muss spektakulär gefeiert werden. Das scheint das Motto der hindu-nationalistischen BJP an diesem Wochenende gewesen zu sein. Triumphierend zog der Spitzenkandidat und designierte Premierminister Narendra Modi am Samstag in Neu-Delhi ein. Vor Tausenden Anhängern erklärte der 63-Jährige, dass seit der Unabhängigkeit Indiens „drei bis vier Generationen vergeudet“ worden seien – ein Seitenhieb auf die Nehru-Gandhi-Dynastie der Kongresspartei, die sehr deutlich abgewählt wurde. „Das Volk hat neues Vertrauen“, rief Modi der Menge zu.

Zuvor hatte Modi, ein hindu-nationalistischer Hardliner, sich am Gangesufer feiern lassen, wo er für den Erfolg seiner künftigen Regierung betete. Geistliche und Anhänger sangen dabei religiöse Lieder, und Modi selbst entzündete traditionsgemäß eine Öllampe. Von einem mit Blumen geschmückten Podium, auf dem auch andere ranghohe BJP-Politiker saßen, sprach er schließlich zu seinen Anhängern. „Mutter Ganges hat mir den Kurs vorgegeben, ich werde unter ihrer Führung arbeiten“, sagte er.

Die BJP fuhr das beste Wahlergebnis seit ihrer Gründung ein und erreichte erstmals eine Mehrheit im indischen Parlament. Mit ihren Verbündeten kommt die rechtskonservative Volkspartei auf 340 der 543 Sitze im Unterhaus. Die Kongresspartei stürzte nach zwei Amtszeiten auf ihr schlechtestes Ergebnis seit der Unabhängigkeit Indiens ab: Sie hat im neuen Parlament nur 44 Sitze. Am Dienstag soll die BJP-Fraktion im Parlament Modi zu ihrem Anführer wählen, seine Vereidigung als Premierminister soll bald darauf folgen.

Unterdessen begann Modi am Sonntag mit der Zusammenstellung seines Kabinetts. Er traf sich mit den Spitzen der BJP und später auch mit den Anführern der fundamentalistischen Hindu-Miliz RSS. Modi selbst war als Kind der Organisation beigetreten, die behauptet, Hindus, Sikhs und Buddhisten seien die einzigen legitimen Einwohner Indiens, und die regelmäßig für Gewalttaten gegen Muslime verantwortlich ist. „Wir versprechen, ein Indien aufzubauen, das stark ist, Respekt abverlangt und nicht auf Hilfe von außen angewiesen ist“, sagte BJP-Chef Rajnath Singh.

Und Respekt bekamen sowohl Modi als auch die BJP bereits am ersten Tag. Aus Pakistan – einem Land, dass Modi gern mit Terrorismus gleichsetzt – gratulierte Premierminister Nawaz Sharif, aus Bangladesch – Einwanderern aus dem Nachbarland riet Modi im Wahlkampf, sie könnten schon mal die Koffer packen – rief Premierministerin Sheikh Hasina an und lud Modi zu einem Besuch ein. Selbst aus den USA, wo Modi seit Jahren wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung von antimuslimischen Pogromen ein Visum verweigert wurde, kam ein Anruf: Auch Barack Obama lud Modi ein.

Trotz Modis feindseliger Haltung könnte ausgerechnet er die Beziehungen zum Nachbarland Pakistan normalisieren. Den größten Fortschritt Richtung Frieden hatte es zuletzt unter der letzten BJP-Regierung von Atal Bihari Vajpayee gegeben. Modis deutliche Mehrheit und die freundlicher werdenden USA könnten dabei hilfreich sein.

Modis Herausforderungen werden zunächst aber vor allem innenpolitische sein. Die Wahl hat er mit den Versprechen von Wachstum und Jobs sowie dem Ausbau der Infrastruktur gewonnen. Das wird nicht einfach sein, denn im Oberhaus, in dem die Regierungen der Bundesstaaten vertreten sind, hat die BJP noch keine Mehrheit. Die zweite Parlamentskammer ist dem Unterhaus gleichgestellt und kann Gesetzesvorhaben blockieren. Modi wird dort wahrscheinlich um die Unterstützung von Regionalparteien werben, um regieren zu können.