Kartellamt zwingt Länder zum Lottospielen

Bonner Wettbewerbshüter fordern die Bundesländer auf, die Sperrung der Online-Tippscheine für das staatliche Lotto wieder aufzuheben. NRW-Regierung prüft. Lottogesellschaften sind genervt: „Alles, was man macht, ist falsch“

DÜSSELDORF taz ■ Der Landesregierung fliegen die Lottokugeln um die Ohren. Nachdem das Bundeskartellamt die staatlichen Lottogesellschaften am Dienstagabend aufgefordert hatte, ihre erst vor rund zwei Wochen gesperrten Online-Lottoscheine wieder zu öffnen, herrschte gestern in Düsseldorf Verwirrung. „Unsere Experten prüfen das rechtlich“, so eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Die Staatskanzlei von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, ansonsten federführend bei der Glücksspielpolitik, wollte keine Stellungnahme abgeben. Bis Ende November müssen die Länder auf die Aufforderung der Bonner Wettbewerbshüter reagieren.

Mit der erneuten Aufforderung eskaliert der Streit zwischen Kartellamt und Ländern. Bereits im August hatte die Behörde die regionale Aufteilung des Glücksspielmarktes mit Hinweis auf das EU-Kartellrecht untersagt. Dennoch weigerten sich die Lottogesellschaften weiterhin, ihr Internetangebot bundesweit zu öffnen. Deshalb drohte ihnen das Kartellamt Ende Oktober Zwangsgelder an. Daraufhin schalteten 13 der 16 Bundesländer ihre Online-Tippscheine ab. „Nach europäischem Recht war diese Anweisung unzulässig“, kritisierte gestern Kartellamtspräsident Ulf Böge. Auch Länderregierungen müssten sich an dieses Recht halten.

Das Land NRW und seine Lottogesellschaft „Westlotto“ hatten die Schließung bislang nicht in die Tat umgesetzt – obwohl die Düsseldorfer Staatskanzlei bei einer Abstimmung zwischen den Bundesländern „für die Schließung des Internetvertriebs“ votiert hatte, so ein Regierungssprecher Anfang November. Auch gestern noch konnten Online-Tipper aus ganz Deutschland auf der Webseite von Westlotto ihre Lottozahlen für die Ziehung am Samstag eintragen. Eigentlich entspricht NRW damit der Forderung des Kartellamts. Doch Westlotto hat keine Lizenz für ein bundesweites Lottoangebot, bestätigte eine Sprecherin des Innenministeriums.

Für die Bundesländer wird die Lage jetzt noch komplizierter. Wenn das Internet-Angebot geschlossen werde, widerspreche das den Forderungen des Bundeskartellamtes, sagte der Sprecher einer norddeutschen Lottogesellschaft. Das Gleiche gelte, wenn Internet-Lotto nur innerhalb der Landesgrenzen zugänglich sei. Einem Angebot auf Bundesebene wiederum widersprächen mehrere Länder: „Um es plakativ zu sagen: Alles, was man macht, ist falsch.“

Der Kleinkrieg um das Online-Lotto ist neben dem Kampf um private Sportwetten nur ein weiterer Konflikt im Dauerstreit um die Zukunft des staatlichen Glücksspielmonopols. Seit einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang 2006 führen die Länder einen Feldzug gegen private Glücksspielanbieter. Wettbüros wurden dichtgemacht, Reklame für das Lotto eingeschränkt. Private Spielevermittler hoffen nun auf das Kartellamt. „Wir begrüßen das Vorgehen der Behörde“, sagte Norman Faber, Präsident des Verbands der Lottovermittler, zur taz. Die Politik solle einsehen, dass sie ein „komplettes Chaos“ angerichtet habe. Der geplante neue Staatsvertrag zum Glücksspiel müsse überarbeitet werden. M. TEIGELER