OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Während sie bei uns noch eher unbekannt ist, zählt die Malerin Alice Neel (1900–1984) in den USA vor allem dank ihrer Porträts längst zu den modernen Klassikern. Ihr Enkel Andrew Neel hat die Künstlerin in dem Film „Alice Neel“ porträtiert und verbindet ihre Bilder mit Fotos, alten Filmaufnahmen sowie Interviews mit Verwandten und Kunsthistorikern zu einer interessanten Dokumentation. Dabei gelingt dem Regisseur der Spagat zwischen seinem ganz persönlichen Interesse am Leben der Großmutter und der kunsthistorischen Einordnung ihrer Werke. Denn Alice Neel konnte von ihrer Kunst nicht leben und war lange auf die Wohlfahrt angewiesen. Trotzdem ordnete sie alles der Malerei unter, was die bis heute von jenen Tagen traumatisierten Söhne ihr immer noch vorwerfen. Doch Neel, die auch in der Blütezeit des abstrakten Expressionismus der gegenständlichen Malerei die Stange hielt, blieb sich und ihren Porträts mit absoluter Konsequenz treu: „Der Mensch ist der Maßstab aller Dinge.“ (OmU, 16.–22. 12., Hackesche Höfe)
Eigentlich beruht Vincente Minnellis Musical „The Band Wagon“ (1953) auf einem „In-Joke“: Die Drehbuchautoren Betty Comden und Adolph Green hatten sich der Sorgen ihres Freundes Fred Astaire erinnert, der sich damals als Mittfünfziger bereits viel zu alt und zu altmodisch für die Tanzfilme wähnte, in denen er mitwirkte. Comden und Green wendeten dies in Scherzhafte und ließen Astaire in „The Band Wagon“ den etwas abgehalfterten Musicalstar Tony Hunter verkörpern, der bei einer Comebackshow an einen prätentiösen Regisseur (Jack Buchanan) gerät, der das harmlose Musical eher als faustisches Drama sieht. Tonys Unbehagen steigert sich noch, als man ihm die mit endlos langen Beinen ausgestattete Ballerina Gabrielle Fabray (Cyd Charisse) an die Seite stellt – „zu große“ Partnerinnen gehörten gleichfalls zu Astaires Phobien. Natürlich geht erst einmal alles schief, bevor es dann doch gut geht: Befreit von allen Hochkultur-Ambitionen zählt am Ende nur noch die gemeinsame Show. Eine umfangreiche Hommage an Vincente Minnelli, der als Regisseur sonst auch nicht immer frei von Kunst-Prätentionen war, zeigt das Arsenal bis Mitte Januar. (OF, 18./22. 12., Arsenal)
Der Trashfilmproduzent Bruno Bonomo (Silvio Orlando) ist eine wandelnde Krise: Sein Privatleben liegt in Trümmern, sein Studio steht vor der Pfändung und seine absurden Exploitationfilme taugen allenfalls noch als Gute-Nacht-Geschichten für die Kinder. Als ihm nun eine junge Autorin ein Drehbuch über einen korrupten Medienmogul und Politiker aufschwatzt, versteht Bonomo dessen Tragweite zunächst gar nicht. Doch dann stößt er überall nur auf Feiglinge: die Fernsehanstalten, der Koproduzent und der vorgesehene Hauptdarsteller – niemand will diesen Film machen. In der Satire „Il caimano“ erzählt Regisseur Nanni Moretti natürlich ganz unverhüllt vom Prinzip Berlusconi: Medien beherrschen, an den Schaltstellen der Macht die eigenen Leute platzieren und den Staat als Selbstbedienungsladen betrachten. (OmU, 19. 12., Arsenal) LARS PENNING
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