schurians runde welten
: Einstiegsdroge Fernsehkonferenz

„Ich kann nicht verstehen, dass sich dieser Trainer hinstellt und sagt: Ich habe ein gutes Spiel gesehen.“

(Werner Wirsing)

Die Radio-Konferenz ist eine ehrwürdige Tradition der Fußballberichterstattung. Durch das Hin und Her zwischen Studio und den Kommentatoren der verschiedenen Schauplätze erfand das Radio nebenbei das Umschalten. Und wer so erfolgreich Kulturtechniken einführt, der wird irgendwann kopiert. Seit einiger Zeit setzt auch das Fußballfernsehen auf die Konferenz; die Sache gilt sogar als erfolgreich. Leider. Denn bei den unbehausten Fußballhappen muss es sich um einen Trick der Unterhaltungsindustrie handeln. In den von der Drogenangst geprägten 70er Jahren hätte man so etwas Anfixen genannt.

Damals wurden unschuldige Jugendliche, gerne Mädchen mit basedowschen Augen, von Dealern, die allesamt Öl in den Haaren hatten und überhaupt etwas katzenhaftes, auf den Geschmack gebracht, aus Versehen in den Arm gepickst, oder so etwas. Und mit den Drogen war es wie mit der verbotenen Frucht, einmal genascht, für immer gearscht. Die zeitgenössische Fußballkonferenzschaltung im Fernsehen ist nun ähnlich fies – eine Mischung aus Täuschung und Schlafentzugsfolter.

Hat man sich gerade an Rhythmus, Sound, Spieler und den Kommentator einer Partie gewöhnt, was schwer genug ist, schreit es „Tor“. Dann kommt das Geräusch einer zugezogenen Autoschiebetür und weg sind wir, irgendwo auf dem Fußballkontinent. Da die Treffer in Bulgarien oder Moskau aber natürlich längst erzielt wurden – sonst hätte der Feldreporter kaum „hier“ schreien können – sehen wir noch die wacklige Zeitlupe einer Hintertorkamera, ein sich lösendes Jubelknäul und den sehr spannenden Anstoß. Dann geht es zurück zum Topspiel, im schlechtesten Fall wurde auch dort gerade ein Tor verpasst. Ein Fernsehen des Zuspätkommens. Die Entstehung eines Treffers bleibt völlig im Dunkeln. Nur weil man neugierig ist, muss man trotzdem dran bleiben.

Dabei ist die videogestützte Trefferanalyse so groß in Mode. In Sportsendungen werden die Laufwege des rechten Läufers bis zum gegnerischen Strafraum genau betrachtet, der Fernsehtrainer hält das Bild dann und wann an, kringelt und strichelt. Ab und zu wird sogar zu einer dreidimensionalen Computergrafik gegriffen, damit zu sehen ist, wer wem die Sicht versperrte. Wenig bleibt offen.

Aber natürlich kann sich auch der zerlegte Fußball nicht frei machen von den Grenzen der Wahrnehmung: Denn wer kann wirklich sagen, was zum Tor führte, wann eine Spielszene beginnt und endet, wie weit man das Band zurückdrehen müsste? Im Zweifelsfall bis zum Anpfiff.

25.11. Emsdetten - Altenrheine

Ursachensuche ist auch im Münsterland erste Bürgerpflicht – nicht Fußballspielen. Der Oberligist TSV Emsdetten 05 meldet, dass an diesem Wochenende keine Jugendspiele ausgetragen werden. Da die erste Mannschaft des kleinstädtischen Vorzeigevereins spielfrei hat, liegt die ganze Last des Fußballs allein auf den Schultern der TSV Reserve. Warum nur? Was spricht eigentlich gegen Fußballspielen? Es gibt keine bessere Antwort auf die Tat des Egoshooters. CHRISTOPH SCHURIAN

Fotohinweis: CHRISTOPH SCHURIAN (39) ist Redaktionsleiter der taz nrw. Früher hatte er schreckliche Angst vor Dealern.