Fairer Handel wird erwachsen

Fairtrade-Produkte werden beliebter und haben inzwischen den Discounter erobert. Die NRW-Handelshäuser fürchten eine Verwässerung ihrer sozialen Ideale und die Kaffeekonkurrenz

VON MORITZ SCHRÖDER

Die Kaffeebauern in Peru und Costa Rica werden sich freuen. Immer mehr von ihnen haben einen höheren Lebensstandard als noch vor einigen Jahren, viele können ihre Kinder erstmals zur Schule schicken. Sie erhalten faire Preise für ihre Kaffeebohnen, die sich in Deutschland besser denn je verkaufen. Die deutsche Fairtrade-Branche, allen voran die NRW-Unternehmen Gepa und Transfair, verzeichnet steigende Umsätze. So gibt die Branche 2006 einen Anstieg um 25 Prozent auf rund 73 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr an. Doch mit steigendem wirtschaftlichen Erfolg befürchten viele VertreiberInnen der fairen Produkte einen Verlust der Ethik. Diskussiert wird vor allem über die Strategie des Discounters Lidl, neuerdings fair gehandelte Produkte anzubieten: „Statt im Discounterprinzip billiger zu werden, sollten wir lieber die Qualität weiter steigern“, sagt Tom Speck, Geschäftsführer des Wuppertaler Fair Handelshauses Gepa.

Speck diskutierte am Mittwoch bei einer Tagung zum Thema „Fairer Handel zwischen Marke und Siegel“ in Oberhausen mit seinen Kolleg-Innen aus der Branche. Und da liegen die Meinungen ähnlich weit auseinander, wie die Preise auf dem Weltmarkt und im fairen Handel. Speck gehörte, mit einem Großteil der angereisten VertreterInnen lokaler Weltläden, zu den GegnerInnen der neuen Verkaufsstrategie des Transfair-Siegels. „Wir sind zurzeit auf dem Weg zum Mainstream. Der faire Preis darf dem Mainstream aber nicht geopfert werden“, so Speck.

Diese Wort richteten sich vor allem an ein anderes Großunternehmen der Branche, den Kölner Transfair e.V. Der hat sich auf das Geschäft mit Lidl eingelassen. Unter der Marke „Fairglobe“ werden dort Waren mit dem Zertifikat des Kölner Vereins verkauft, das einen Sozialstandard bei den Produzent-Innen sicherstellt. „Unsere sozialen Kriterien standen bei den Verhandlungen mit Lidl nicht zur Debatte“, betonte allerdings Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath. „Die Konsumenten ticken nun mal anders als Fairtrade-Initiativen. Die müssen wir einfangen, ohne das Siegel zu verwässern“, sagte der Transfair-Chef.

„Wenn der Discounter die Produktpreise senkt, geht das Fairtrade-Prinzip kaputt“, warnte jedoch der einzige Einzelhandelsvertreter auf dem Podium, Klaus Wilmsen, von der Essener Karstadt GmbH. Daher müsse den VerbraucherInnen die Idee des gerechten Handels besser erklärt werden. Eine Mitarbeiterin des Naturkostanbieters Rapunzel wies auf die soziale Verantwortung des gerechten Handelssystems hin: „Wir wollen den bolivianischen Bauern doch Werte vermitteln. Wenn sie hören, dass wir ihre Produkte hier im Discounter verkaufen, haben sie keinen Verstand dafür“. Auch Lidl halte schließlich soziale Standards nicht immer ein.

Der Transfair-Geschäftsführer, sichtlich genervt über den Verlauf der Diskussion, lenkte mit einer Warnung schließlich die Aufmerksamkeit auf die Zukunft der Fairtrade-Unternehmen. „Wenn Jacobs-Kaffee demnächst mit einem eigenen Siegel auftritt, müssen wir uns warm anziehen.“ Damit spielte er auf die neuen Kaffeeprodukte des Lebensmittelkonzerns Kraft Foods an. Der will demnächst mit der Marke Jacobs Milea einen fair gehandelten Kaffee für PrivatverbraucherInnen anbieten. Die Kaffeebauern sollen von der amerikanischen Umweltschutzorganisation Rainforest Alliance zertifiziert werden. Erfüllen sie alle Umweltauflagen, erhalten sie einen Aufpreis von zehn Prozent für ihren Kaffee. Der Vorstoß wurde auf der Tagung recht einhellig als „fair light“ bezeichnet, weil der Aufpreis niedriger sei als der Preisaufschlag, der etwa von Gepa gezahlt wird. Der wachsende Markt wird somit immer härter umkämpft werden. Die Konsequenz: „Wir müssen uns besser auf dem Markt positionieren“, forderte Overath.