Weg mit der bockigen Kuh

FILM Ana-Felicia Scutelnicu wirft in ihrem einstündigen Spielfilm „Panihida“ einen deutlich dokumentarisch geprägten Blick auf die Republik Moldau

„Panihida“ beginnt mit einer eindrucksvollen Passage: Eine Gemeinschaft zieht auf einem Kammweg einer Art Kapelle entgegen, die an der Spitze des Berges steht. Die langsame, gleichmäßige Bewegung der Gruppe steht dabei in Kontrast zu den bockigen, in diesem Setting fast fantastischen Sprüngen einer Kuh, die durch einen Schlag mit einem Stock ausgelöst wurde. Eine Versuchsanordnung aus Tradition, das Tier muss den Weg der Menschen räumen, und am Ende schwenkt die Kamera nach links, um die Schönheit und Weite von Fluss und Tal ins Bild zu setzen, über denen der Berg thront.

Es wäre etwas paternalistisch, Ana-Felicia Scutelnicus Einstünder „Panihida“ als ein Spin-Off von Volker Koepps Osteuropa-Kartografien zu bezeichnen. Aber der Film hat etwas damit zu tun, die Regisseurin selbst hat in Koepps letztem Film „In Sarmatien“ von ihrer Arbeit erzählt. Scutelnicu stammt aus der Republik Moldau, hat für Koepp gearbeitet und in Berlin Film studiert. Darüber hinaus steht „Panihida“, was vom Verleih mit „Himmelreich“ übersetzt wird und das Ritual der Beerdigung meint, vor allem ästhetisch in einem interessanten Spannungsverhältnis zu einem deutschen, auch durch Koepps Filme geprägten dokumentarischen Blick auf Land und Leute.

Denn der Film von Scutelnicu und ihrem Ko-Autor Tito Molina ist ein eigenwilliges Hybrid. Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen stark ästhetisierten Dokumentarfilm halten, weil er lauter von harter Arbeit gegerbte Gesichter zeigt. Es handelt sich aber umgekehrt um einen Spielfilm, der eine allgemeine Erzählung dokumentieren, das Ritual der Beerdigung festhalten will. „Panihida“ stiftet den Tod einer alten Frau als Anlass, um – stellvertretend für nachfolgende Generationen – dem Mädchen Anishoara überliefern zu können, wie dieses Ereignis in das Leben des Ortes integriert wird.

So wird „Panihida“ in seiner Gesamtheit selbst zu einer Passage, nicht nur wegen der zentralen Szene, dem nicht enden wollenden Gang durch die Sommerhitze zum Friedhof. Vielmehr ist der Film ein Verbindungsstück zwischen den Zeiten und Räumen: Zwischen der Vergangenheit, in der sich die Beerdigungspraxis von selbst tradierte, und einer Zukunft, in der die Fortsetzung dieser Gepflogenheit nicht als gesichert gelten kann, und auch zwischen den in Moldau verbliebenen Alten und den weggegangenen Jüngeren, die, wie Scutelnicu, auf andere Weise in die Heimat zurückschauen.

Es ist eklatant, dass im Gefüge von „Panihida“ Unordnung herrscht – die mittlere Generation fehlt. Der Film kennt nur Alte, die den Tod als Teil des Lebens akzeptieren. Und Anishoara, die mit der Verwirklichung von Mindestglücksvorstellungen wohl nicht bis zum Jenseits warten wird. Ana-Felicia Scutelnicus intensiver Film ist im Übrigen der erste, der vom Berliner Kino Krokodil verliehen wird. Eine Entscheidung, die man programmatisch verstehen kann: Das Filmtheater im nördlichen Prenzlauer Berg, das seit zehn Jahren vor allem russische und osteuropäische Filme zeigt, hat zugleich eine Sammlung von Filmkopien aufgebaut – um ein Erbe zu bewahren und Filme zugänglich zu machen. MATTHIAS DELL

■ Krododil, Greifenhagener Str. 32, heute 20 Uhr, sonst 20.30 Uhr