Bewusstlos, aber schuldig

GERICHT Verurteilung wegen Beleidigung

Es hätte ihm eine härtere Strafe drohen können: Sten M. war gleich einer ganzen Reihe von Vergehen angeklagt: Landfriedensbruch, schwerer Landfriedensbruch, Körperverletzung, versuchte schwere Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Auf der Gedenkdemonstration zum Tod der zwangsgeräumten Rosemarie Fliess im April 2013 in Neukölln war er nach Angaben von Demonstrierenden von Polizisten bewusstlos geschlagen, anschließend aber von diesen angezeigt worden, sie angegriffen zu haben.

Am Mittwoch wurde M. verurteilt: Allerdings nur noch wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, zu 75 Tagessätzen à 8 Euro. Darin sind jedoch bereits 60 Tagessätze enthalten, zu denen er in einem anderen Verfahren im August 2013 verurteilt worden war. In allen anderen Punkten sprach ihn der Richter frei, da er die Schilderung der Polizeibeamten, die als Zeugen auftraten, als teils nicht glaubwürdig wertete. Er hatte bereits am ersten Verhandlungstag deutlich gemacht, dass er manchen der Zeugen wenig Glauben schenkte – diese hatten sich bei der Schilderung der Vorgänge teils in eklatante Widersprüche verwickelt.

Die Kampagne Zwangsräumungen wertete das Urteil dann auch „fast als Freispruch.“ Dennoch kritisierte sie, dass es am Ende der Demonstrant war, der verurteilt wurde – und nicht die Polizisten. Zwar habe es auch eine Anzeige gegen unbekannt gegeben wegen des Angriffs auf den Demonstranten, diese habe die Staatsanwaltschaft jedoch nicht weiterverfolgt. Ein Sprecher der Initiative sagte, es sei eine Frechheit, dass jemand bewusstlos geschlagen wird, nur weil er Polizisten auf die Nerven gegangen sei. „Und dass die Polizisten damit durchkommen.“

JULIANE SCHUMACHER