Litvinenko stirbt einen qualvollen Tod

Der russische Ex-Spion Alexander Litvinenko ist tot und beschuldigt in einer posthum verlesenen Erklärung erneut den russischen Präsidenten des Mordes. Putin spricht von „Provokation“. Mediziner finden radioaktives Material in der Leiche

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Der ehemalige Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Litvinenko, ist am späten Donnerstagabend in einer Londoner Klinik an Herzversagen gestorben. Litvinenko befand sich seit mehr als zwei Wochen in stationärer Behandlung. Nach einem Treffen mit früheren Kollegen und einem italienischen Geschäftsmann Anfang November ging es dem seit 2001 im englischen Exil lebenden flüchtigen russischen Inlandsagenten von Tag zu Tag schlechter.

Das Ärzteteam war zunächst von einer Thalliumvergiftung ausgegangen. Aufgrund des ungewöhnlichen Krankheitsverlaufs äußerten Experten die Vermutung, das Gift könne auch mit radioaktivem Material vermischt worden sein. Inzwischen halten die Ärzte aber auch diese Version für nicht mehr zutreffend. Die Chemikerin Andrea Sella vom Londoner University College sagte gegenüber der Times, es werde immer schwieriger, die Konsistenz des Giftes zu bestimmen: „Die Ärzte müssen ein bislang unbekanntes Gift finden. Sie wissen auch nicht, ob es sich um eine Substanz oder eine Mischung handelt.“ Die Chemikerin äußerte den Verdacht, dass die Täter nicht nur töten, sondern anderen potenziellen Opfern eine spektakuläre Warnung senden wollten: Wenn du uns in die Quere kommst, wirst du eines qualvollen Todes sterben! Dass radioaktives Material mit im Spiel gewesen sein muss, scheint nach Angaben der britischen Ermittler unterdessen bereits unstrittig zu sein. Der Sender BBC berichtete am Nachmittag, die Mediziner hätten das radioaktive chemische Element Polonium in seinem Körper gefunden.

Litvinenko hatte sich 1999 nach England abgesetzt, nachdem er zuvor den russischen Geheimdienst beschuldigt hatte, ein Attentat auf den russischen Oligarchen Boris Beresowski zu planen. Er behauptet auch, hinter Häusersprengungen in Russland, die der Kreml im Herbst 1999 zum Anlass nahm, den zweiten Tschetschenienkrieg zu beginnen, stünde der Inlandsgeheimdienst.

Litvinenkos aus Russland angereister Vater saß bis zuletzt am Sterbebett des Sohnes. Der Todeskampf seines Sohnes sei sehr schwer gewesen, sagte er. Der Verstorbene hätte große Schmerzen ertragen müssen und in den letzten Stunden kaum noch sprechen können, da er Blut spucken musste.

Litvinenkos Freund Alexander Goldfarb verlas überdies eine kurze Stellungnahme des Verstorbenen, in der er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich die Schuld an seinem Tod gab. In Russland herrsche ein brutales System und der Kremlchef sei ein Barbar.

Litvinenko, die Familie und Freunde beschuldigten von Anfang an den russischen Geheimdienst FSB der heimtückischen Tat. Noch kurz vor seinem Tod hatte er einem Freund gesagt: „Die Bastarde haben mich erwischt.“ Moskau wies die Anschuldigung zurück. Gegenüber der staatlichen Agentur RIA sagte der Sprecher des Militärgeheimdienstes GRU, Sergei Iwanow: „Herr Litvinenko ist nicht die Art von Person, deretwegen wir die bilateralen Beziehungen verderben würden.“

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Tod Litvinenkos als „Provokation“ bezeichnet und jede Verbindung damit zurückgewiesen. „Es gibt keinen Anlass für solche Spekulationen“, sagte er gestern am Rande des Gipfeltreffens in Helsinki.

Der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen sagte für die EU-Ratspräsidentschaft, der Tod des Exagenten sei kein Thema bei den Gesprächen gewesen. Es sei nun Aufgabe der britischen Strafverfolgungsbehörden, die Umstände zu untersuchen.