Debatte neu belebt

USA Oberster Gerichtshof setzt Hinrichtung in Missouri aus. Obama will Untersuchung

NEW YORK taz | In den Stunden, die Russel Bucklews letzte werden sollten, stritten mehrere Gerichte über Leben und Tod des 46-Jährigen. Am Mittwochabend beendete der oberste Gerichtshof der USA die Angelegenheit vorläufig: Die neun RichterInnen setzten die Hinrichtung aus und beauftragten ein Bundesberufungsgericht in Missouri, sich erneut mit dem Fall zu befassen.

Das Berufungsgericht, das noch am Dienstag Bucklews Hinrichtung für rechtens befunden hatte, soll nun prüfen, ob sie eine „grausame und ungewöhnliche Strafe“ wäre und damit gegen die US-Verfassung verstoßen würde.

„Froh und erleichtert“, reagierte Cheryl Pilate auf den Entscheid des obersten Gerichts. Die Anwältin des wegen Mordes, Entführung und Vergewaltigung zum Tode verurteilten Bucklew argumentiert, es gäbe eine „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass ihr Mandant bei der Hinrichtung einen langsamen und qualvollen Erstickungstod sterben könnte. Bucklew leidet an der angeborenen Krankheit Hämangiom. Er hat Tumore in der Nase und in der Kehle. Nach Ansicht seines Verteidigerteams könnte das dazu führen, dass die tödliche Droge nicht wie geplant durch seinen Körper zirkuliert.

Ein Staatsanwalt in Missouri nannte diese Argumente „Unsinn“. Er vermutete, dass erst die vermurkste Hinrichtung in Oklahoma Bucklew und seine Anwälte auf die Idee gebracht hätten, seine Krankheit als Argument zu nutzen.

In Oklahoma hatte der Verurteilte Clayton Lockett Ende April nach der Injektion eines tödlich gemeinten Cocktails noch 43 Minuten lang gelebt, sich bewegt und Laute von sich gegeben. Nachdem der Henker die Hinrichtung für abgebrochen erklärte, starb Locket im Hinrichtungsraum an einer Herzattacke.

Seitdem ist Bewegung in die Debatte über die Todesstrafe gekommen. Präsident Barack Obama sagte Anfang Mai: „Wir müssen uns ein paar schwere und tiefgehende Fragen stellen.“ Das Weiße Haus hat eine Untersuchung über Hinrichtungsverfahren in den einzelnen Bundesstaaten in Auftrag gegeben.

Auch im obersten Gericht bahnt sich ein allmählicher Wandel der Mehrheitsmeinung zur Todesstrafe an. Am Dienstagabend sorgte der von Expräsident George W. Bush ernannte Richter Samuel Alito für die Überraschung, als er die Hinrichtung in Missouri zunächst in einer Eilentscheidung im Alleingang aussetzte. Am Mittwoch schlossen sich seine KollegInnen in seltener Einmütigkeit seinem Entscheid an. DOROTHEA HAHN