Menschen als Ware

LESUNG Rund 15.000 „Austauschjuden“ lebten ab 1943 im KZ Bergen-Belsen – Geiseln, deren Freiheit sich das NS-Regime bezahlen ließ. Erforscht haben die Geschichte von „Hitlers Menschenhändlern“ die Journalisten Thomas Ammann und Stefan Aust

Adolf Eichmann wollte diesen Deal nicht. Hitlers SS-Obersturmbannführer war entschlossen, alle europäischen Juden zu vernichten, da schien ihm die Idee absurd, einige von ihnen zu verschonen. Aber Hitler wie auch SS-Chef Heinrich Himmler glaubten, diese Menschen tauschen zu können, gegen Waren oder Geld. Außerdem wollten sie Deutsche von überall her „heim ins Reich“ holen. Manche Auslandsdeutschen in Nord- und Südamerika wollten einwandern ins „Dritte Reich“. Zudem gab es internierte deutsche Zivilisten, etwa in den USA.

Damit ihre Länder sie gehen ließen, brauchte Deutschland eine Gegenleistung: die „Austauschjuden“, denen Thomas Ammann und Stefan Aust ein Buch gewidmet haben. „Hitlers Menschenhändler“ basiert auf einer TV-Dokumentation und wird jetzt in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen vorgestellt. Es ist der richtige Ort dafür: 1943 entstand dort, in der damaligen Provinz Hannover, ein Lager für „Austauschjuden“, die zunächst am Leben bleiben durften. Eingesperrt wurden „wertvolle“ Juden, also solche mit der Staatsangehörigkeit westlicher Feindstaaten oder Einwanderungspapieren für Palästina.

14.600 Menschen waren es insgesamt, vor allem Niederländer, Ungarn und Polen. Sie lebten getrennt vom restlichen Lager und wurden besser behandelt. Humanitäre Gründe gab es dafür nicht, die Geiseln sollten schlicht in gutem Zustand übergeben werden. Und es überlebten längst nicht alle von ihnen.

Eine Gruppe allerdings, und von ihr handelt das neue Buch, kam frei: die „Kasztner-Transporte“. Rudolf Kasztner war ein jüdischer Rechtsanwalt, der bald nach der Besetzung Ungarns durch Deutschland mit Eichmann verhandelte und die Freilassung von insgesamt 1.700 ungarischen Juden erwirkte – gegen Zahlung von zwei Millionen US-Dollar. Über Bergen-Belsen gelangten sie schließlich in die Schweiz.

Das Buch handelt nicht nur von der Ambivalenz solcher Geschäfte mit den Mördern, sondern offenbart auch das Kompetenzgerangel innerhalb deren Apparats: Während das Auswärtige Amt Menschen austauschen wollte, war das Reichssicherheitshauptamt dagegen, obendrein spielten wirtschaftliche Interessen eine Rolle. „Der Mord hing von bestimmten Bedingungen ab“, hat der Historiker Yehuda Bauer es formuliert, und unter Umständen sei Himmler zu Gesprächen bereit gewesen –„wenn der Preis verlockend genug war“.  PS

■ So, 25. 5., 14.30 Uhr, KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen; http://bergen-belsen.stiftung-ng.de