„Diese Fläche ist doch einzigartig“

ORTSTERMIN Auf dem Feld dominieren am Sonntag die Bebauungsgegner. Nicht alle sind optimistisch

Nur ein paar flauschige Wolken schweben am Sonntagmittag über dem Tempelhofer Feld, ansonsten glüht die Sonne vom Himmel. Davon, dass an diesem Tag über die Bebauung des Geländes entschieden wird, ist eher wenig zu spüren. Nur von den selbstgezimmerten Dächern und Kisten der Gemeinschaftsgärten auf der Neuköllner Ostseite des Feldes hängen einige Transparente.

Dort sitzt Anna-Luise Böhm, sie hat ein Beet hier und kommt fast täglich. Jetzt frühstückt sie, vor ihr stehen Erdbeeren und Orangensaft. Es ist noch früh, erst allmählich trudeln die Feldbesucher ein. Ja, sagt Böhm, sie habe schon gewählt, aber an einen Erfolg der Initiative glaubt sie eher nicht. „Das ist doch alles längst geplant, es gibt doch schon die Baupläne“, sagt sie wütend. Und der Wahlzettel sei absichtlich so verwirrend gemacht worden, damit viele, die kurzfristig wählen gehen, aus Versehen falsch abstimmen.

Aloys und Rita Kötters-Gulde sehen die Zukunft des Feldes weniger pessimistisch. Das Ehepaar aus Steglitz streift durch die Gärten, „faszinierend“, sagt er immer wieder, wie kreativ die Leute sich das hier aneigneten. „Ich dachte schon, oje, noch mehr so Kleingarten-Kultur, aber das ist ja alles offen hier, jeder kann mitmachen.“ Die beiden haben schon vor Wochen gewählt, sind aber heute zum ersten Mal hier. Sie haben fünf Jahre im Ausland gewohnt, sind erst letztes Jahr zurückgekommen, die Debatte haben sie trotzdem verfolgt. Dass sie für den Gesetzentwurf von 100 % Tempelhofer Feld stimmen, war für beide klar, „ist doch einzigartig, diese Fläche“, sagt sie.

Auf den Grillflächen bauen die ersten Familien ihre Pavillons und Sonnenschirme auf. Von den türkischen und arabischen Bewohnern der umliegenden Kieze dürfen viele nicht abstimmen. Auch die Spanierin Irene nicht, die gerade mit ihrer Tochter kommt, sie will zu einer Führung zu Färberpflanzen in einem der Gärten. „Unfair“, findet sie das, „ich wohne seit sieben Jahren hier!“ Ihr Bekannter, auch mit Kind, hat am Morgen schon gewählt. Er hofft, dass die Initiative Erfolg hat.

Gute Gründe für beide Vorschläge

Man hört überhaupt viel Spanisch an diesem Morgen, viel Englisch, auch Französisch. Gruppen von Radfahrern stoppen an den Info-Punkten, lassen sich die Geschichte des Feldes erklären. Michael Holtja, US-Amerikaner, wohnt seit einem Jahr in Charlottenburg, hat Besuch von seiner Familie und zeigt ihr jetzt das Feld. Er kennt es, seit er für einen Monat zur Zwischenmiete in der Nähe gewohnt hat. Abstimmen darf er nicht, aber die Diskussion verfolgt er. Er sieht für beide Vorschläge gute Gründe. Eine reine Wohnbebauung, sagt er, werde der historischen Bedeutung des Feldes nicht gerecht. „Aber wenn auch Kultureinrichtungen gebaut werden, wenn die Geschichte des Ortes zur Geltung kommt, dann fände ich das eine gute Sache.“

JULIANE SCHUMACHER