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Barfuß gegen die Ungerechtigkeit

Heute Abend wirbt der US-amerikanische Musiker, Komponist, Poet und Menschenrechtsaktivist Michael Franti mit seiner Band „Spearhead“ im Mandarin-Kasino für die Rettung der Welt

Do, 30. 11., 20 Uhr, Mandarin Kasino, Reeperbahn 1

Anfangs sollten es nur drei Tage sein. Michael Franti zog seine Schuhe aus, um gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren. Gegen eine Welt, in der die Menschen in den so genannten Konsumgesellschaften sich Schuhe kaufen, die von Menschen produziert werden, die diese selbst nicht bezahlen können. Nun läuft Franti schon seit sechs Jahren barfüßig durch sein Leben. Wenn er nicht gerade ein Flugzeug oder ein Restaurant betritt. Dafür zieht er schon mal ein Paar Flip-Flops an.

Einen politischen Kommentar transportieren bei Michael Franti jedoch nicht nur die Füße. Bekannt geworden ist der Aktivist mit den afrikanischen, italienischen und deutschen Vorfahren als Musiker, Komponist und Poet. Ende der Achtziger veröffentlichte der Dreadlockträger zusammen mit DJ Rono Tse als „The Beatnigs“ zwei viel beachtete Platten auf Jello Biafras „Alternative Tentacles“-Label. Live beeindruckte das Industrial-Punk-Duo mit grobem Werkzeug wie beispielsweise einer Kreissäge, mit der sich allerhand Krach und Pyroeffekte produzieren ließen.

Auch das folgende Franti-Projekt „The Disposable Heroes of Hiphoprisy“ führte die Kollaboration mit Rono Tse weiter. Dazu gesellten sich auf der Platte „Hipocrisy is the Greatest Luxury“ Jazz-Gitarrist Charlie Hunter und Elektro-Musiker wie Mark Pistel von „Consolidated“ und Jack Dangers von „Meat Beat Manifesto“. Zum Industrial-Sound mischte sich eine gehörige Portion HipHop und Frantis sonore Stimme beklagte wortreich die Ungerechtigkeiten der Welt, entlarvte das Fernsehen als „The Drug of the Nation“ und forderte eindringlich demokratische Reformen. Auch die „Heroes of Hiphoprisy“ ernteten viel Beifall und eröffneten schließlich die legendäre „Zoo TV“-Tour von „U2“. Noch im selben Jahr nahmen die „Heroes“ mit Beat-Autor William S. Burroughs die Platte „Spare Ass Annie and Other Tales“ auf, dann war mit dem Projekt Schluss.

Erst zwei Jahre später fand Franti mit „Spearhead“ ein neues Sprachrohr für sein soziales und politisches Bewusstsein. Nicht mehr Industrial-Klänge untermalten nun die Worte, sondern Funk, Soul und Reggae. Zwei Alben veröffentlichte die vierköpfige Band auf dem Major „Capitol“, bis dessen Manager „Spearhead“ mit Will Smith und anderen aufpeppen wollte. Kurzerhand gründete Franti sein eigenes Label „Boo-Boo Wax“ und musste seine Band aus rechtlichen Gründen „Michael Franti and Spearhead“ nennen.

Seitdem jedoch lässt sich Franti nicht mehr beirren. Sieben Alben hat seine Band bis dato veröffentlicht. Darüber hinaus engagiert sich der Künstler immer mehr in den entstehenden Bewegungen gegen die Todesstrafe, die Gefängnis-Industrie, die Globalisierung und den Krieg. Im aktuellen Album „Yell Fire!“ und der preisgekrönten Film-Dokumentation „I Know I’m Not Alone“ beispielsweise verarbeitet Franti die Eindrücke seiner letzten Reise. Bewaffnet mit Gitarre und Videokamera fragte der barfüßige Musiker im vom Krieg zerstörten Bagdad, im Gaza-Streifen, im Westjordanland und in Israel nach den menschlichen Kosten des „Kriegs gegen den Terror“. Dass er damit die Welt nicht über Nacht retten kann, weiß Franti, „aber wir können ein Tropfen in dem Fluss sein, der einen Berg bewegt.“ ROBERT MATTHIES

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