Das Kino vom Goldenen Horn

Bei den 4. Türkei-Filmtagen laufen im Kino 46 viele deutsche Erstaufführungen

Die deutschen Kinobesitzer haben das türkische Publikum entdeckt. In vielen Multiplexen steht inzwischen in einem Saal ein türkischer Publikumsrenner in der Originalfassung (manchmal nicht einmal mit Untertiteln) auf dem Programm. Durch den antiamerikanischen Ramboverschnitt „Tal der Wölfe“ wurden zum ersten Mal auch die Medien auf dieses Phänomen aufmerksam, aber die meisten Filme werden vom deutschsprachigen Feuilleton und Publikum ignoriert und von den hier lebenden Türken gern gesehen. So läuft die Gauklerposse „Hokkabaz“ des Komikers Cem Yilmaz seit Wochen erfolgreich auf mehreren Leinwänden Norddeutschlands. Auch bei den Türkei-Filmtagen des Bremer Kommunalkinos ist dieses Interesse der hier lebenden Türken zu bemerken. Von heute an werden in Walle insgesamt fünfzehn Filme gezeigt, darunter mehrere deutsche Erstaufführungen und mit „Aura“ eine „Europa-Premiere“. Es gibt natürlich auch in anderen deutschen Städten Veranstaltungen mit türkischen Filmen, aber die meisten davon finden, wie jene in Berlin und Duisburg, jeweils im Frühjahr statt, und so hat das Bremer Pendant den Vorteil der günstigen Terminierung.

Auf dem Programm stehen hier keine reinen Unterhaltungsfilme, sondern die Werke des türkischen Autorenkinos. In „Aura“ von Orhan Ogüz (Fr, 20.30 Uhr) wird etwa an der Oberfläche eine Liebesgeschichte erzählt, aber tatsächlich geht es darum, wie in der Türkei mit religiösen Minderheiten verfahren wird, denn die schöne Geliebte gehört den Yeziden an, die als Teufelsanbeter diskriminiert werden. In „Schneemänner“ („Kardan Adamlar“) von Aytan Gönülsen (Fr, 18 Uhr), der ebenfalls als Erstaufführung gezeigt wird, verirren sich zwei Fuhrunternehmer bei einer Fahrt in einer Schneelandschaft und müssen dort gegen ihren drohenden Erfrierungstod kämpfen, wodurch beide vor die grundlegenden Fragen des Lebens gestellt werden. Am Mittwoch werden zum Abschluss als Wiederholungen zwei von den auch künstlerisch erfolgreichsten türkischen Filme aus dem Jahr 2004 gezeigt, in denen interessanterweise jeweils ein kleiner Junge der Protagonist ist. In „Schiffe aus Wassermelonen“ („Karpuz Kabugundan Gemiler Yapmak“) von Ahment Ulucay (Mi, 18 Uhr) erzählt der Regisseur basierend auf seinen Kindheitserlebnissen von zwei kinobegeisterten Jungen, die davon träumen später erfolgreiche Regisseure zu werden. In „Mein Vater und mein Sohn“ („Babam ve Oglum“) von Cagan Irmak (Mi, 20.30 Uhr) geht es um die skurrile Verwandtschaft des kleinen Deniz, dessen Vater sich als politischer Aktivist zur Zeit des Militärputsches von 1980 mit seiner Familie zerstritt, und der nun als verlorener Sohn zurückkehrt. Zu diesem Film gingen in der Türkei über 4 Millionen Zuschauer.

Als eine Hommage an den frisch ernannten Nobelpreisträger Orhan Pamuk wird als einziger etwas älterer Film im Programm „Das verborgene Gesicht“ („Gizli Yüz“) von Ömer Kavur aus dem Jahr 1991 gezeigt (Di, 20.30 Uhr), der auf einem Drehbuch von Pamuk basiert. Vielleicht ist es ein Indiz dafür, wie schwer sich das Land mit diesem Autoren tut, dass noch keiner seiner Romane verfilmt wurde. Unter den sechs Dokumentarfilmen des Programms sticht „Import – Export“ („Ithalat – Ihracat“) von Eren Önsöz heraus, denn der Film leistet nichts weniger als eine Kulturgeschichte der Türken in Deutschland – mit vielen seltsamen und amüsanten Fundstücken wie dem preußischen Kammertürken Friedrich, den Beutetürken des 17. Jahrhunderts und dem Türkenkarneval im Saarland. Und der Film demonstriert sehr anschaulich, wie schnell sich die Zeiten ändern. Bei den Dreharbeiten konnte noch mit dem Brustton der Überzeugung behauptet werden: „Der Döner ist in Deutschland nur positiv besetzt!“ Wilfried Hippen