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LESERINNENBRIEFE

Auch Helden können Arschlöcher sein

■ betr.: „Ein bisschen Licht ins Dunkel“, taz vom 21. 12. 2011

Was, bitte schön, ist schlechter, gewaltsamer Sex? Abgesehen von den mannigfaltigen Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten, und ungeachtet dessen, dass auch scheinbare Helden sich wie Arschlöcher verhalten können, bin ich erschüttert über die Vorstellung von den Möglichkeiten der Selbstbestimmung, die da verhandelt werden! Ich hatte bisher das Glück, keinem Verrückten zu begegnen, der mir durch brutale Gewaltanwendung keine Chance lässt, meine geistige und körperliche Integrität zu erhalten. Aber wenn jemand mein Wesen und meine Wünsche von vornherein nicht respektiert, egal ob mit oder ohne Sex, dann lasse ich ihn nicht in meine Gunst und körperliche Nähe, erst recht nicht im Halbschlaf. Falls ich fürchten muss, dass ich die Situation nicht beherrschen kann, dann fliehe ich und hole Beistand, egal wo ich bin. Selbstverständlich ergibt sich daraus, dass ich den unverschämten Grobian nicht noch weitere Tage bei mir übernachten lasse. Es sei denn, ich möchte durch die Nähe zu einem in meiner Szene als Guru angesehenen Mann an Wichtigkeit, Macht und Vorteilen andocken und vergesse dabei, was mir eigentlich selber gut tut. Eine Vergewaltigung ist, glaube ich, aber etwas anderes und Ernsteres als das, was die beiden Frauen geschildert haben.

MARIA ORTIZ GIL, Berlin

Gute DDR-Bahn

■ betr.: „Fehlt nur das Sandmännchen“, Leserbrief vom 22. 12. 10

Herrlich, der Leserbrief des profunden Kenners der Deutschen Reichsbahn der DDR! Ganz verwundert frage ich mich, wo ich gelebt und vor allem, für wen ich gearbeitet habe. Ich kenne genug Strecken in der wirtschaftsmaroden und mobilitätsfeindlichen DDR, die für Geschwindigkeiten deutlich über 120 Stundenkilometer zulässig waren! An den meisten habe ich auch selbst mitgewerkelt.

Die DDR „besaß“ mit Belgien das dichteste Streckennetz Europas und mit der Strecke Halle/S.–Bunawerke–Leunawerke–Großkorbetha den am dichtesten befahrenen Abschnitt. Mit Transportleistungen, die, müssten diese auch heute noch erbracht werden, die Inkompetenz des Managements offen zutage treten ließe! Wohlgemerkt, die Herren mit dem Kaufmannsweitblick. Ansonsten ist der Leserbrief eine 100-prozentige Beschreibung der heutigen Zustände der auf Privatisierungskurs befindlichen Deutschen Bahn AG.

KLAUS D. PRINZ, Worms

Medien-Exoten

■ betr.: „Obdachlose bleiben weiter befreit“, taz vom 17. 12. 10

Natürlich freuen sich Familien, die drei Fernsehgeräte haben, so wie viele andere der nun Begünstigten über die Neuregelung der Rundfunk- und Fernsehgebühren. Typische Gewinner sind Besserverdienende.

Aber es gibt auch Exoten, die bisher aufs Fernsehen gepfiffen haben. Denen werden dann schlappe 11,50 Euro weggenommen. Vielleicht dem Rentner, der alle paar Jahre 1 Prozent zugelegt bekommt, wovon sich Herr Rösler gleich wieder ein halbes Prozent nimmt.

Und dann gibt es Studenten. Die bekommen kein Hartz IV, aus Prinzip. Manche bekommen auch kein Bafög. Die erhalten sich mit schlecht bezahlter Nachtarbeit oder anderen Jobs oder werden mühsam von ihren Eltern durchgefüttert. (Nicht nur Kinder der Wohlhabenden versuchen, ein Studium durchzustehen.) Wird das Gesetz auf sie Rücksicht nehmen? Als betroffener „Exot“ kann ich in der Neuregelung keinen „großen Wurf“ sehen. JÖRG NEUMANN, Berlin

Wer sein Kind liebt, lässt es hungern

■ betr.: „Die religiöse Zumutung“, taz vom 21. 12. 10

Martin Reichert schreibt: „[…] zum Beispiel das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung wurde im Jahr 2000 von Rot-Grün beschlossen, und zwar gegen den massiven Widerstand jener Partei, der Volker Kauder angehört. In der Union hielt man es zuvor lieber mit der Bibel: „Wer die Rut spart, hasst seinen Sohn / wer ihn liebt, nimmt ihn früh zur Zucht.“ Es ist schon ärgerlich, mit welcher Oberflächlichkeit dieses Bibelzitat immer wieder missdeutet wird. Wäre der Satz ein chinesisches Sprichwort, wären alle Gutmenschen begeistert. So aber schnappt der Pawlow’sche Reflex ein: Bibel = autoritär = rückständig!

Es gibt aber auch ein vergleichbares chinesisches Sprichwort: „Wer sein Kind liebt, lässt es immer etwas hungern und frieren.“ Es ist doch völlig offensichtlich, dass in beiden Fällen bildlich gesprochen wird! Weder ist gemeint, ein Kind wirklich hungern und frieren zu lassen, noch plädiert die Bibel für die Prügelstrafe mit Haselruten! Gemeint ist beide Male, Kinder zu Persönlichkeiten zu erziehen! Dazu gehört nach der Bibel, dass sie ein Gewissen ausbilden, indem ihnen Regeln und Normen vermittelt werden, wozu auch entsprechende Sanktionen gehören. Wer Kindern dies vorenthält und sich weigert, auch einmal zu bestrafen, verweigert ihnen das Lernen von Eigenverantwortung. Dazu gehört nach dem chinesischen Sprichwort, dass Kinder die Freiheit des Verzichts lernen und damit zu selbstbestimmten Persönlichkeiten werden (auch Rousseau wusste schon, dass der beste Weg zur Zerstörung eines Kindes der ist, ihm jeden Wunsch zu erfüllen). Ein bisschen mehr hermeneutische Anstrengung wünscht sich FRANZ-JOSEF NETT, Gerolstein

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