Dichter am Neckar

Beim SWR soll heute ein neuer Intendant gewählt werden. Der Ausgang ist offen – und doch kaum spannend, weil die Kandidaten nur wenig trennt

VON STEFFEN GRIMBERG
UND HANNAH PILARCZYK

Was wird

Was wird aus meinen Worten,

aus Versen, Sätzen, Silben,

ist mir gleich, ich hause

nicht bang in meinem Bau, ich lebe,

wo jeder mir aus meiner Rede die Stricke drehen darf, die er mir um den Hals legt

(…)

Ich schenk euch meine Feder verse,

mein Vogelwort, ein warmes Futter

für eure neuen Kaiserkleider.

Scharrt euch zusammen, pickt heraus,

was ihr zum langen Winter braucht.(aus: Peter Voß, „Zwischen den Kratern“, Hohenheim Verlag 2000)

Nicht jeder sieht Willi Steul, SWR-Bernhard Nellessen und Peter Boudgoust sofort an, dass sie allesamt „Hochkaräter“ sind, jedenfalls nach Meinung des dichtenden Südwestrundfunk-Intendanten Peter Voß. Doch wer von den dreien ab heute in Stuttgart vom Rundfunkrat zum Nachfolger Voß’, wenn schon nicht als Dichter, so doch wenigstens als Intendant der zweitgrößten ARD-Anstalt gekürt wird, ist offener denn je.

Monatelang schien alles auf Boudgoust hinauszulaufen. Der SWR-Verwaltungsdirektor ist zwar, anders als seine beiden Gegenkandidaten, kein Journalist, galt aber als inoffizieller Wunschkandidat von Voß, der kommenden Sommer – ein Jahr früher als nötig – den Intendantenposten räumt. Doch dann legten die beiden anderen nach: Willi Steul, Ohrringträger und Leiter des Funkhauses in Stuttgart, habe beim Tingeln durch die verschiedenen Rundfunkrats-Freundeskreise eine hervorragende Figur gemacht haben, heißt es im Südwesten.

SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen, für den bisher die Karriere stets ungehindert aufwärts lief, soll laut Anstalts-Insidern derweil freundlich angedeutet haben, im Falle seiner Nichtwahl ganz zu gehen. Gegen Nellessen spricht allerdings, dass im SWR-TV zwar wichtige Einzelstücke wie die ambitionierte „Debüt im Dritten“-Reihe zu finden sind – sonst aber eher beschauliche Biederkeit herrscht.

Auch innerhalb der ARD spiele der SWR seine Stärke nicht wirklich aus, heißt es in Anstaltskreisen. Das wiederum kann man nicht allein Nellessen ankreiden – auch Intendant Peter Voß machte zuletzt eher durch Affären wie seine umstrittene 60. Geburtstagsfeier im Luxushotel Bühler Höhe auf sich aufmerksam. Voß kam bis auf den Imageverlust ohne Schaden davon, wegen der Abrechnungsmodalitäten des Empfangs stehen aber der ehemalige Hoteldirektor und ein Ex-SWR-Fernsehdirektor vor Gericht. Die Affäre hat offiziell aber nichts mit Voß’ vorzeitigem Abgang zu tun. Grund seien vielmehr die anstehende Digitalisierung und die medienpolitische Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, so Voß auf einer Veranstaltung des Badischen Tagblatts: „Das alles wird die Medienlandschaft radikal verändern.“

Dass dies auch für die Wahl beim SWR gilt, braucht niemand zu fürchten: Das Verfahren allerdings ist kompliziert, so dass nicht klar ist, ob es bereits heute ein eindeutiges Ergebnis gibt oder sich das Wahlverfahren bis ins neue Jahr hinzieht. Denn die stimmberechtigten 74 Rundfunk- und 15 Verwaltungsräte sortieren sich nicht nur in die mehr (rot bzw. schwarz) oder weniger (grau) den großen Parteien nahe stehenden Freundeskreise. Bei der Mehrländeranstalt für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gilt es auch noch einen gewissen Landesproporz zu beachten. Und da steht dem schwarz-gelb reagierten Musterländle eine absolute SPD-Mehrheit in Mainz gegenüber.

Als unionsnah gelten allerdings sowohl Steul, Nellessen wie Boudgoust, so dass hinter den Kulissen wohl über ganze Personalpaketen bis hinunter zu den Direktoren- und Chefredakteursposten verhandelt wird.

Planung

Am besten du lebst

ohne Planung, reist hierhin

und dorthin, kennst ein paar

witzige Leute und findest

ein Ende, wo keiner

dich kennt.

Aber dann kannst du

auch bleiben.

(ebenda)