ZWISCHEN DEN RILLEN: Träume sind Bäume
Kreisky: „Blick auf die Alpen“ (Wohnzimmer Records/Indigo) Der Nino aus Wien: „Träume“ (Problembär) Der Nino aus Wien: „Bäume“ (Problembär)
Nino Ernst Mandl lässt es langsam angehen. Er kommt eine Viertelstunde zu spät zum Gespräch, trinkt Cola, raucht, wird nur schleppend wach. Vielleicht ist diese slackerhafte Trägheit Teil seiner Inszenierung. Als „Der Nino aus Wien“ veröffentlicht er jetzt zwei Alben gleichzeitig. Sie heißen „Bäume“ und „Träume“. Als verträumt würde Nino sich und seine Arbeit nicht bezeichnen: „Das meiste war eher Handwerk. Reine Berechnung, weil zwei verschiedene Alben entstehen sollten.“
Nino sieht Tocotronic in ihren Anfängen ähnlich. Auch Joy Division haben ihre Style-Spuren hinterlassen. Seine größte Inspiration seien aber die Beatles. Als Der Nino aus Wien macht er Gitarrenpop mit Singer-Songwriter-Schlagseite. Mandl schreibt einprägsame Melodien, spielt dazu gerne Klavier und erzählt verworrene Geschichten. Wenn ihm das zu fad wird, probiert er was Neues: „Gemeinsam mit dem Rapper Skero hat er „Abtaun Girl“ aufgenommen, und „Graz bei Nacht“ klingt nach Punk.
Zwei Alben auf einmal zu veröffentlichen erscheint größenwahnsinnig. Weil Nino aber immer dann, wenn er gerade ein Album gemacht hat, gleich noch eines machen will, war es für den 27-Jährigen naheliegend, zwei aufzunehmen: „Es ist ja riskant, vielleicht hetze ich die beiden Alben sogar gegeneinander auf. Der Konsument muss sich entscheiden, legt er sich das eine oder das andere zu, alle beide oder keines.“
Die Titel der Alben reimen sich zwar, inhaltlich sind sie aber unterschiedlich: „Ich glaube, ‚Bäume‘ ist das klassischere Album. Songs, die es auf jedem Nino-aus-Wien-Album so ähnlich gab und die ich immer schreibe. Das andere geht weiter weg von dem, was ich bisher gemacht habe“, sagt Nino.
Er arbeitet gerade mit seinem österreichischen Kollegen Ernst Molden an einem Austropop-Coveralbum, das im Januar erscheinen soll. Darauf werden sie unter anderem Stücke von Falco und Wolfgang Ambros nachspielen. In Sachen Austropop gibt es aber noch mehr, das zum Glück rein gar nichts zu tun hat mit dem Mainstream-Pop von Conchita Wurst.
Im März haben Kreisky mit „Blick auf die Alpen“ ihr viertes Album veröffentlicht. Bis auf den Sänger wohnen alle Bandmitglieder, genau wie Nino, in Wien. Laut Nino ist die Stadt ein gutes Pflaster für Musiker, denn die Auftrittsmöglichkeiten seien vielfältig.
Es scheint, dass Wien seine Musiker auch auf abgefahrene Ideen bringt. In dem Kreisky-Video zum Song „Pipelines“ fliegt Sänger Franz Adrian Wenzl auf Fuchur, dem Drachen aus „Die unendliche Geschichte“, über Wolken. Für das Video zum Song „Selbe Stadt, anderer Planet“ sitzt die ganze Band regungslos an einem gedeckten Kaffeetisch vor der Kulisse einer Schneiderei.
Nino ist mit seiner vermeintlichen Zurückhaltung eher unfreiwillig komisch, seltsame Ideen für Chorgesang und Artwork für seine Alben hat er aber auch. Vielleicht ist das ja so ein Österreich-Ding. Ja, Panik!, die mittlerweile in Berlin leben, aber auch aus Österreich kommen, haben ebenso wie Kreisky und Nino ein Gespür für Unsinn und sind in einem ihrer Videos gemeinsam in der Badewanne zu sehen.
Die Musik von Kreisky wurde häufig als Postpunk bezeichnet, ihr neues Album ist jedoch zugänglicher als das meiste, was sonst in dieser Schublade landet. Schrammel-Gitarren und Punkelemente finden sich, aber auch lupenreine Popmelodien.
Es lohnt sich, genau zuzuhören, denn Kreiskys Texte sind toll: „Pipelines“ zum Beispiel ist angesichts der Energiediskussionen rund um den Ukraine-Konflikt überraschend aktuell, und „Weinkrämpfe“ zeichnet ein perfektes Porträt eines Klischee-Teenie-Mädchens. Zu dick geschminkt ist sie, launisch, und ihre Familie ist ja „sooo peinlich“.
Kreisky gehen im Oktober auf Tour in Deutschland; Nino schon jetzt. Dann wird sich zeigen, ob der österreichische Humor hier anlandet. JULIA BRUMMERT
■ Nino aus Wien: heute Hamburg, Haus 71; 31. 5., Berlin, Roter Salon
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