Hell- oder dunkelgrün

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Die Grünen wollen sich wieder als Ökopartei profilieren. „Wir werden zeigen, dass wir die einzige Partei sind, die beim Klimaschutz relevant ist“, verkündeten die Spitzen von Fraktion und Partei unisono im Vorfeld des Parteitags, der an diesem Wochenende in Köln stattfindet. Motto: „Grüner ist besser.“ Ob tief- oder eher mattgrün – darüber allerdings gehen die Meinungen auseinander.

Parteichefin Claudia Roth erklärt, mit dem Motto sei keine „Rückbesinnung“ gemeint, sondern eine „neue Radikalität, aber ohne Katastrophismus“. Fraktionschef Fritz Kuhn will „nicht zurück zu den Wurzeln, aber die Wurzeln verstärken“. Anderen Grünen ist das Programm der Parteispitze zu zahm.

So reicht dem Energieexperten Hans-Josef Fell das Konzept zum Klimaschutz nicht weit genug. Er setzt auf „Nullemission“ von CO2 als radikales Ziel. Dagegen plädiert ein Antrag von Fraktionsvize Reinhard Loske, der von der Parteispitze unterstützt wird, für einen „neuen Realismus in der Ökologiepolitik“. Der Anteil erneuerbarer Energien soll demnach schrittweise erhöht werden, der Ausstieg aus dem CO2-Verbrauch ebenfalls in mehreren Schritten erfolgen (siehe Interview).

Die „Tief-Grünen“ fürchten um die Umweltpolitik als Alleinstellungsmerkmal der Partei. Der Klimawandel ist in aller Munde. Das kann eine Chance für die Grünen sein – aber nur, wenn sie radikal genug auftreten, finden viele. Denn ein bisschen Klimaschutz wollen mittlerweile alle Parteien. Die „Matt-Grünen“ dagegen haben bereits die nächsten Wahlen im Hinterkopf und überlegen, ob sie sich eher mit der Kohlepartei SPD oder doch mit der Atompartei CDU eine Koalition vorstellen könnten. Allzu radikale Programme dürften beide Parteien abschrecken. Andererseits: Warum soll man die Grünen wählen, wenn sie sich in ihren Kernkompetenzbereichen kaum von anderen unterscheiden?

Vor allem zum Klimaschutz erwartet die Parteiführung daher eine kontroverse Debatte. Bei anderen Umweltthemen traut sich auch die Parteispitze mehr Radikalität zu. So soll es in Köln auch um ein Tempolimit auf der Autobahn gehen – allein das Wort in den Mund zu nehmen, grenzt in Deutschland bereits an Extremismus. Darüber hinaus steht ein Verbot von Stand-by-Schaltungen bei Elektrogeräten auf der Tagesordnung, genauso wie die City-Maut, ein genereller Stopp des Ausbaus von Flughäfen oder die Besteuerung von Flugbenzin. Mit der Debatte über die neue Radikalität im Umweltschutz steht auch die pragmatische Politik des grünen Exumweltministers Jürgen Trittin rückwirkend auf dem Prüfstand.

Für Zündstoff könnte ein weiteres Thema sorgen. Einige Delegierte wollen dem Parteitag vorschlagen, alle rot-grünen Militärmissionen von einer Expertenkommission kritisch durchleuchten zu lassen. Zu den Befürwortern gehört neben dem Verteidigungsexperten Winfried Nachtwei auch Hans-Christian Ströbele. Die Parteispitze dagegen möchte den drohenden Unmut lieber auf einen gemeinsamen Feind lenken – die USA mit ihrem Krieg gegen den Terror in Afghanistan. Nachdem die Fraktion schon gegen die Verlängerung des dortigen Bundeswehreinsatzes im Rahmen der Mission „Enduring Freedom“ gestimmt hatte, soll der Parteitag über eine neue Ausrichtung der Afghanistan-Politik diskutieren: Mehr ziviler Aufbau, weniger Militär.

Drittes großes Thema: die Zukunft der sozialen Sicherung. Auch hier steckt die Parteiführung im Dilemma zwischen Altlasten aus der Regierungszeit und dem Wunsch nach neuer Profilierung. So muss sie radikale Reformen ablehnen, wenn sie nicht im Nachhinein ihre Zustimmung zu Hartz IV in Zweifel ziehen möchte. Sie bleibt daher beim Konzept einer „Grundsicherung“ à la Hartz IV. Ein Teil der Delegierten plädiert dagegen für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Hierzu soll der Parteitag eine „offene Debatte“ beschließen. Erst in einem Jahr wird es einen Beschluss geben.

Natürlich wird in Köln bei allen Diskussionen auch die Frage mitschwingen: Mit wem wollen wir es das nächste Mal probieren? Bisher aber wehrt die Parteispitze Spekulationen ab: „Inhalte gehen vor“, verkündete Claudia Roth vorige Woche.