leserinnenbriefe
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Lokales Personal einsetzen

■ betr.: „UN bereichern sich an Armut“, taz vom 22. 12. 10

Die Vergütungen internationaler Helfer stellen für mich ein Problem dar, seit ich anfing, für die bilaterale Zusammenarbeit (DED, GTZ, Consulting, KfW) zu arbeiten. Zunächst eine kleine Korrektur bzw. Erläuterung: Bei den 14 Millionen Dollar für 50 internationale Fachkräfte handelt es sich sicherlich um den Budgetansatz, in dem in sogenannten Verrechnungssätzen auch die Verwaltungs- bzw. Gemeinkosten enthalten sind. Davon kommen in der Regel bei den Fachkräften 50 Prozent an: 14 Millionen Dollar: 50 Fachkräfte = 280.000 x 0,5 = 140.000 Dollar/Fachkraft; davon gehen ca. 15 Prozent Reisekosten ab, bleiben 119.000 Dollar für zwölf Monate = 9.916 Dollar/Fachkraft-Monat. Das ist seit je etwa das 20-Fache der Vergütung lokaler Fachkräfte und das 200-Fache ungelernter Arbeiter, und dies quer durch alle Länder und Projekte.

Die Monatssätze sind reichlich bemessen, nach Ansicht vieler Beteiligter aber notwendig, um qualifizierte Fachkräfte für schwierige Einsatzgebiete wie Südsudan oder Darfur zu gewinnen. Eine Lösung wäre die strikte Reduzierung der Anzahl internationaler Fachkräfte und der Einsatz lokalen Personals.

Bei meinem Einsatz für die Welthungerhilfe im Ostkongo betrug meine Vergütung zu meiner Genugtuung „nur“ das 10-Fache der des lokalen Partners, und ich war der einzige „Internationale“ in einem entlegenen Gebiet des Nordkivu, der mithilfe lokaler Selbsthilfeorganisationen 180.000 Flüchtlinge versorgte, während UN- und andere Hilfsorganisationen in großer Besetzung bei sehr eingeschränkter Effizienz im angenehmen Goma weilten.

Die Holländerin Linda Polman beschreibt die Verhältnisse in ihrem Buch „Die Mitleidsindustrie“ in drastischer Weise. Ob die Betroffenen (und Begünstigten) daran je etwas ändern werden?

MARTIN DIETZ, Wehrheim

Es geht um Einfluss und Macht

■ betr.: „UN bereichern sich an Armut“, taz vom 22. 12. 10

„Selbsthilfe fängt erst dort an, wo die Zielgruppen selber die Ziele, die Mittel und die Aktionen bestimmen können.“ Richtig, aber gerade das wird von der internationale „Hilfe“ verhindert. Die internationalen Experten der UN verdienen ein in den Industrieländern übliches Gehalt und bekommen dazu eine Auslandszulage und Tagessätze. Dazu erhalten sie in Kriegsgebieten ein Trennungsgeld für die zweite Haushaltsführung und Gefahrenzulagen. Dies alles steuerfrei.

Wichtiger ist die Haltung der sogenannten und selbst ernannten Experten, ob UN, GTZ oder von sonst woher. Sie vertreten nicht das Gastland, dem sie helfen sollen, sondern das eigene Heimatland, das exportieren will: ob Know-how, Waffen, Decken oder Moskitonetze. Dazu geht es den von der Weltbank finanzierten UN-Projekten nicht darum, die Ökonomie des Ziellandes zu stärken, sondern darum, das Zielland in die globalen Handelsbeziehungen einzubinden.

Die finanziellen Zusagen der Industrieländer werden gern in Form von Expertengehältern im Ursprungsland ausgezahlt, weil die dann auch großenteils dort ausgeben werden. Das viele Geld erreicht somit erst gar nicht das Zielland. Selbsthilfe fördern zu wollen ist ein Lippenbekenntnis der Geberländer. In der Realpolitik geht es immer um Einfluss und Macht. Und da ist der Geber in einer besseren Position als der Empfänger. Der Geber kann bestimmen – und tut es auch. Da ist für Selbsthilfe und selbstbestimmtes Handeln kein Platz.

Die UN sind längst nicht mehr das Sprachrohr der armen und blockfreien Staaten. Die UN sind das außenpolitische Instrument der Starken. So gesehen bereichern sich die UN an Armut; und die UN gefährden den Frieden. MARK SPOELSTRA, Freinsheim

Ehrlichkeit beim Selbstbelügen

■ betr.: „Das Leiden der Anderen“, sonntaz vom 24. 12. 10

Bravo, Karen Duve! Da wird dem Moralkeule schwingenden Gutbürger ein kritischer Spiegel vorgehalten. Als Jäger, der keiner Diskussion aus dem Wege geht und der sich als Teil einer aus den Fugen geratenen Natur sieht, muss man sich manchmal viel anhören. Rehe haben ja so schöne Augen. Meine Frage, ob der kritische Gegenüber Vegetarier ist, beendet meist schnell die Diskussion. Vor Vegetariern habe ich Respekt. Ihnen gehört die Zukunft, wenn die Erdbevölkerung weiter so wächst. Aber wer bewacht die Felder?

Trotzdem bin ich froh, das inzwischen meine Frau die Hühner schlachtet. Es ist wohl doch etwas anderes, ob man beim Töten das Tier in der Hand hält oder auf 80 Meter den Finger krumm macht. Aber die eigenen Hähnchen sind immer noch die besten. So kann man nach dem Schlachten die blutigen Hände in Unschuld waschen und beim Reh oder Hähnchenbraten über die Massentierhaltung und ihre Konsumenten lästern. Spätestens die gekaufte Leberwurst auf dem Vesperbrot macht diese Moral wieder zunichte. Vielleicht bringt uns ein wenig Ehrlichkeit beim Selbstbelügen der Wahrheit etwas näher. CHRISTOPH KROLZIG, Moos

Kultureller Wandel setzt Normen

■ betr.: „Das Leiden der Anderen“, sonntaz vom 24. 12. 10

Es gibt Hoffnung, zumindest was das Aufessen von leidensfähigen Wesen betrifft: „Der Trend ins Vegetarische ist unaufhaltsam, wahrscheinlich isst in 100 Jahren kein Mensch mehr Fleisch“, sagte zu seiner aktiven Zeit Helmut Maucher, damals Chef von Nestlé und soweit eher nicht als vegetarischer Aktivist aufgefallen. Wir erleben zurzeit einen kulturellen Wandel, der neue Normen setzt, die dann auch bei „Supermarkteinkäufen mehr oder weniger in Trance“ wirksam werden werden. THOMAS SCHÖNBERGER, Hamburg