Im besten Sinne museumsreif

AUSSTELLUNG Das Fahrrad: zurzeit und weltweit das meistbenutzte Verkehrsmittel überhaupt. In Hamburg ist zu sehen, wie es ins Rollen kam. Und wie es weiterrollen könnte

Das Museum der Arbeit ist stilgerecht untergebracht: auf dem ehemaligen Fabrikgelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie in Hamburg-Barmbek. Dort, in den stehen gebliebenen und restaurierten Gemäuern eines Fabrikensembles aus der Gründerzeit, hat es sich einen Namen gemacht mit einer ebenso anschaulich wie profund präsentierten Melange aus Industrie-, Technik- und Sozialgeschichte. Auch seine neueste Sonderausstellung „Das Fahrrad“ ist der interdisziplinären Annäherung verpflichtet.

Auf 650 Quadratmetern begegnet man nicht nur Veteranen wie den Hoch- und Sicherheitsniederrädern des 19. Jahrhunderts. Nicht nur Kuriositäten sind zu entdecken, zum Beispiel das Swing Bike von 1977 mit Hinterradlenkung oder avantgardistische Klassiker wie das Liegerad Ringkowski aus den sechziger Jahren. Zu bewundern sind nicht nur velophile Kostbarkeiten, die ansonsten in anderen Museen stehen, etwa im Deutschen Technikmuseum in Berlin.

Die Hamburger Ausstellung bietet mehr. So verdeutlicht der Blick auf den Großstadtverkehr in London, Los Angeles und Kopenhagen, was urbanes Fahrradfahren heutzutage alles ist: einerseits die notwendige, wenn auch vielerorts nicht konfliktfreie Rückeroberung des öffentlichen Raums. Andererseits Selbstverständlichkeit und Lebensfreude. Letzteres aber wohl nur dort, wo Kommunalpolitiker, Stadt- und Verkehrsplaner zumindest damit angefangen haben, ihre früher ach so autogerechten Städte nachhaltig umzugestalten.

Fahrrad und Sport, auch diese Beziehung wird auf besondere Weise thematisiert. Wo lassen sich hohlwangige Männer besonders gern quälen? Und warum überhaupt? Fragen, die „A Sunday in Hell“, ein Film über das legendäre, geliebte und gehasste Radrennen Paris – Roubaix, sehr anschaulich beantwortet. Die Doku-Augenweide von Jørgen Leth (1977) wird ständig gezeigt, wie auch noch weitere Filmausschnitte und Kurzfilme, in denen ebenfalls in irgendeiner Form am Rad gedreht wird.

Wer vor Ort nicht nur schauen, sondern hyperaktiv selbst in die Pedale treten möchte, muss nicht sein eigenes Fahrrad mitbringen. Zum Ausprobieren steht recht Unterschiedliches zur Verfügung: Hochräder in einer gesicherten Station, aber auch hochmoderne Ergometer mit Simulation. Und auf dem Museumshof ist an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat ein ganzer Parcours mit historischen wie aktuellen Modellen aufgebaut. Für die Nachbetrachtung zu Hause unbedingt zu empfehlen: der gleichnamige Ausstellungskatalog, erschienen im Junius-Verlag. 200 Seiten, viele Abbildungen, kostet allerdings 24,90 Euro. PAUL DA CHALET

■ Ausstellung „Das Fahrrad. Kultur, Technik, Mobilität“: Bis 1. März 2015 im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, Hamburg, www.museum-der-arbeit.de