Liebe, Glaube, Hochzeit

Multikulti-Komödie schlägt Integrationsdrama: Der ProSieben-Film „Meine verrückte türkische Hochzeit“ ist der doppelte Überraschungssieger des Baden-Badener Fernsehfilmfestivals

Aus Baden-Baden Steffen Grimberg

Das Baden-Badener Festival des Fernsehfilms gilt als Hort der öffentlich-rechtlichen Ehre und Werte. Wenn also in diesem Jahr erstmals in der Geschichte des nach dem Grimme-Preis wichtigsten deutschen TV-Wettbewerbs die Produktion eines Privatsenders den Hauptpreis gewinnt, kommt das einer gar nicht mal so kleinen Revolution gleich. Und dem ProSieben-Film „Meine verrückte türkische Hochzeit“ gelang sogar ein Doppelsieg: Auch der 3sat-Zuschauerpreis ging an die Multikulti-Komödie um Götz, der in einer Kreuzberger Straße den letzten „deutschen“ Laden unter lauter türkischen Geschäften betreibt – und sich so enormem Integrationsdruck ausgesetzt sieht.

Einem anders gelagerten, aber nicht minder intensiven Integrationsdruck sah sich wohl auch die Festival-Jura ausgesetzt: Schließlich war „Wut“, das von der ARD im September ins Spätprogramm verbannte Psychodrama um den Einbruch des jungen Türken Can in die gar nicht so heile Mittelstandswelt einer Professorenfamilie, ebenfalls im Wettbewerb. In den letzten Jahren, so die Jury um NRW-Medienwächter Norbert Schneider fast unisono, habe es „keinen so wichtigen Fernsehfilm gegeben“. Dennoch, und weil das Reglement des Festivals keine zwei ersten Preise zulässt, fiel die Entscheidung für die vermeintlich leichtere Komödie. Die Begründung lieferte Jurychef Schneider ganz unfreiwillig mit, als er sich in der Laudatio versprach: „Meine verrückte türkische Hoffnung“. – Schöner und wahrer geht’s nimmer.

Bleibt zu hoffen, dass die von ProSieben-Redakteurin Birgit Brandes verantwortete Produktion (Regie: Stefan Holtz, Buch: Daniel Speck, siehe Interview unten) Mut zu mehr macht – nicht nur beim Privat-TV. Wie Insider berichten, soll der WDR übrigens höchst verschnupft auf das Jury-Votum reagiert haben. Wohl deshalb wurde für „Wut“ flugs ein Sonderpreis kreiert. Beim Empfang signalisierte das „Wut“-Team denn auch „Genugtuung“ und meinte damit wohl nicht nur die Verschiebungsposse aus vermeintlichen Jugendschutzgründen. Die Wiederholung, so bekräftigte es der WDR-Fernsehspielchef, werde im WDR auf jeden Fall zur Primetime laufen.

Weitere Auszeichnungen: Darstellerpreis an „Brüder III – Auf dem Jakobsweg“ (ORF/Arte), Drehbuchpreis an Rolf Basedow für „Polizeiruf 110 – Er sollte tot“ (BR). Hans-Abich-Preis für Verdienste um den Fernsehfilm an Nico Hofmann. MFG-Star für Nachwuchsfilm an Alain Gsponers „Bummm!“ (SWR/BR/SF)