Das Ende der Zurückhaltung

Die Zeichen stehen auf Lohnerhöhung: SPD-Chef Kurt Beck fordert sie, die IG Metall meldet schon mal 7 Prozent an. Metall-Arbeitgeber fordern die Fortsetzung von gewinnorientierten Lohnanteilen. Und keinen Ausgleich für höhere Steuern

aus BERLIN THILO KNOTT

SPD-Chef Kurt Beck hat nachgerechnet. Die Konjunktur laufe derzeit gut, die Unternehmensgewinne seien deutlich gestiegen. Doch die Lohnpolitik der vergangenen Jahre sei zurückhaltend ausgefallen. Aus dieser Rechnung folgert Beck in der Bild am Sonntag: „Es ist Zeit für eine Lohnpolitik, die den Arbeitnehmern angemessene Lohnerhöhungen zubilligt.“ Es müsse jetzt „anständige Lohnanteile“ geben, weil dadurch die Binnenkonjunktur gestützt werde und diese zudem „den Menschen wieder mehr Handlungsfähigkeit und Anerkennung geben“ werde.

Die Beck’sche Algebra erfreut die Gewerkschaften. Zuallererst die IG Metall, denn in der Metall- und Elektroindustrie stehen im März nächsten Jahres harte Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall an. Gut vier Monate vor Auslaufen des Tarifvertrags stecken IG Metall und Gesamtmetall auch schon erste Positionen ab. Mehrere Bezirksleiter der IG Metall rechneten am Wochenende wie Beck: Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, sagte, den Betrieben gehe es gut, sie forderten Mehrarbeit und Sonderschichten ein. Das wirke auf die „Erwartungshaltung der Beschäftigten nicht gerade dämpfend“. Die Vorsitzende der IG Metall Küste, Jutta Blankenau, sagte, dass ihre Tarifkommission eine Erhöhung zwischen 5 und 7 Prozent für angemessen halte.

Die Arbeitgeber versuchen dagegen, diese Logik zu durchbrechen. Zwar signalisierte Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser am Wochenende, die Mitarbeiter „angemessen am Zuwachs und Erfolg“ zu beteiligen. Die Lage der meisten Metallbranchen habe sich deutlich verbessert und diese hätten den Anschluss an die Weltkonjunktur geschafft. Er warnte aber vor überzogenen Lohnabschlüssen. Einzige Forderung Kannegiessers für die bevorstehenden Tarifgespräche ist die Fortsetzung gewinnorientierter Lohnanteile. Das sind Einmalzahlungen, die in den Betrieben ausgehandelt werden. Der Vorteil für die Arbeitgeber ist, dass diese nicht in die Lohntabelle einfließen. So steigt das Lohnniveau nicht so hoch. „Daran wollen wir festhalten, weil es die Betriebe differenziert behandelt und ihnen mehr Flexibilität garantiert“, sagte Gesamtmetall-Sprecher Peter Klotzki gestern der taz. Beim letzten Abschluss gab es für die Arbeitnehmer einmalig 310 Euro und 3 Prozent Lohnerhöhung.

Streitpunkt der Tarifauseinandersetzung wird auch die Frage sein, inwiefern die Mehrwertsteuererhöhung und andere Faktoren in das Tarifergebnis einfließen sollen. Angesichts gestiegener Sozialversicherungsbeiträge und Steuern müsse die Forderung deutlich höher als in der vergangenen Tarifrunde liegen, erklärte etwa IG-Metall-Bezirksleiter Hofmann. Die Arbeitgeber lehnen diese Forderung als „populistisch“ ab. „Externe Faktoren wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer waren noch nie Thema von Tarifverhandlungen“, sagte Klotzki. Es gebe keinen Zusammenhang zu dem, was die Unternehmen erwirtschaften würden.