Psychologe mit Pistole

Um Gewalttaten an Schulen vorzubeugen, will Landesinnenminister Wolf die Polizei öfter in Schulen schicken. Mehr SchulpsychologInnen soll es nicht geben, trotz mangelhafter Versorgung

VON MORITZ SCHRÖDER

Auf dem Pausenhof aller weiterführenden Schulen in Dortmund stehen seit 1999 Polizeibeamte. Sie sollen nicht die Aufsicht führen, sondern mit den SchülerInnen ins Gespräch kommen. Auch den Unterricht besuchen die PolizistInnen. So wollen sie gewaltbereite Jugendliche von Straftaten abhalten. In Zukunft sollen solche Besuche an allen Schulen im Land stattfinden.

Als Reaktion auf den Amoklauf von Emsdetten am 20. November, als ein Jugendlicher an seiner ehemaligen Schule um sich schoss, will Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) die PolizistInnen öfter in die Schulen schicken. „Wir haben alle Polizeibehörden aufgefordert, mit den Schulen Kontakt aufzunehmen“, sagt Wolfgang Beus, Sprecher im Landesinnenministerium. Erste Ergebnisse des Programms erwarte das Ministerium bis März 2007.

Das Projekt soll auf der bisherigen Zusammenarbeit aufbauen, den so genannten „Ordnungspartnerschaften“. Die können etwa so aussehen, dass ein Polizist ein Mal pro Woche eine Sprechstunde an einer Schule in seinem Bezirk anbietet. Ein anderes Beispiel sind die Jugendkontaktbeamten, genannt „Jukobs“, die unter anderem in den Schulpausen Kontakt mit den SchülerInnen aufnehmen sollen wie in Dortmund. Das solle die Hemmungen nehmen, vor einer drohenden Gewalttat die Sicherheitsbehörden einzuschalten, so Beus – anders als in Emsdetten, wo LehrerInnen und SchülerInnen die Auffälligkeiten des psychisch labilen Schülers nicht meldeten. An der dortigen Geschwister-Scholl-Realschule gab es solche Kooperationsprojekte nicht.

Der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW hält die Ordnungspartnerschaften für sinnvoll. „So erhalten die Polizisten Informationen, die ihnen die Lehrer nicht geben können“, sagt Udo Beckmann, Vorsitzender des VBE-Landesverbands. Ob einE SchülerIn bereits als gewalttätig aufgefallen ist, wüssten die PolizistInnen meist besser als die Lehrkräfte. Während die grünen Uniformen laut Wolf bald zum Schulalltag gehören sollen, fehlt es fast überall an SchulpsychologInnen. „In diesem Bereich haben wir eine grottenschlechte Versorgung im europäischen Vergleich“, so Beckmann.

Das bestätigt Hildegard Liermann, Vorsitzende des Landesverbands Schulpsychologie in NRW. Nur rund 270 PsychologInnen gebe es für die knapp 6.400 Schulen im Land: Im deutschen Durchschnitt würden 12.000 SchülerInnen lediglich von einer Person betreut. Nur die wenigsten Schulen haben eigene Fachleute. An der Emsdettener Realschule gab es keine Spezialisten. Dafür mussten sich nach dem Amoklauf umso mehr Personen um die psychischen Folgen der Gewalttat kümmern. Bis zu 70 NotfallseelsorgerInnen und PsychologInnen betreuten traumatisierte SchülerInnen in den ersten beiden Tagen danach. Inzwischen wurde vor Ort eine Beratungsstelle mit sechs Fachleuten eingerichtet. Die Geschwister-Scholl-Schule soll einen festen Psychologen erhalten.

Damit bleibt sie allerdings ein Sonderfall. Im Landes-Schulministerium wird zwar zurzeit ein Konzept für einen besseren Einsatz von SchulpsychologInnen erarbeitet, erhöht werden soll die Zahl der SpezialistInnen allerdings nicht, so ein Ministeriumssprecher. Schulpsychologin Liermann kritisiert: „Mit der momentanen Versorgung wird es schwer, die Probleme vor Ort mitzubekommen“. Die LehrerInnen würden oft nicht merken, wenn einzelne SchülerInnen psychische Probleme haben. „Die Jugendlichen haben ihre Strategien, ihre Probleme zu vertuschen“, erklärt die Fachfrau. PsychologInnen dagegen könnten in solchen Situationen vermitteln und Gespräche anbieten. „Wo die Kommunikation gut läuft, taucht auch weniger Gewalt auf“, so Hildegard Liermann, die selbst in einer Beratungsstelle arbeitet.