Wo bleibt Maximilian?

Am deutsch-türkischen Internat in Geseke haben sich bis jetzt keine Deutschen angemeldet – obwohl die Unterrichtssprache Deutsch ist. Träger: „Wenn das so bleibt, sind wir gescheitert“

VON MIRIAM BUNJES

Die Gründer des einzigen deutsch-türkischen Internats NRWs haben sich viel vorgenommen: Einen Alltag ohne Diskriminierung für türkischstämmige SchülerInnen, Sprachförderung und interkulturelle Erfahrungen für alle. Diskriminiert wird tatsächlich niemand am im September gestarteten Internat Eringerfeld im ostwestfälischen Geseke, das bislang als Vorzeigeprojekt in Sachen Integration galt. Denn: Die 154 türkischstämmigen SchülerInnen sind unter sich. Kein einziges deutsches Kind wurde im ersten laufenden Schuljahr angemeldet.

„Es gab zwei Anfragen von deutschen Eltern“, sagt ein Mitglied des Fördervereins in der Schulverwaltung. „Die haben ihre Bewerbung aber zurückgezogen.“ Die türkischen Eltern reagierten völlig anders: Mehr als 300 Bewerbungen stapelten sich nach wenigen Wochen im Sekretariat. Die Anfragen kommen noch immer – aus ganz Deutschland.

„Wenn das langfristig so bleibt, sind wir gescheitert“, sagt Turan Devrim, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins „Regenbogen Bildungswerkstatt“. Um deutsche Schüler zu werben, besucht Schulleiter Michael Pleister zusammen mit den acht deutschen Lehrern die Grundschulen und Sportvereine der Umgebung.

Ohne deutsche Kinder kann das Internat Eringerfeld auch seine Zulassung verlieren. Die hat die Bezirksregierung in Arnsberg zunächst für drei Jahre erteilt, das Internat damit ein staatlich anerkanntes Gymnasium und wird zu 87 Prozent vom Land finanziert. Eine Bedingung: Einen 50-prozentigen Anteil deutscher SchülerInnen. „Wenn das in drei Jahren nur 40 Prozent sind, ist das auch kein Problem“, sagt Jari Wieschmann, Sprecher der Bezirksregierung. Auch die bisherige Bilanz findet er „unproblematisch“: Das Angebot müsse bei deutschen Eltern eben erst noch bekannt werden.

Darauf setzt auch Turan Devrim. „Die deutschen Eltern wollen uns erst beobachten, bevor sie ihre Kinder hier anmelden.“ Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien hält dieses Misstrauen für normal. „Die deutschen Schüler brauchen ja keine Integration in die deutsche Mehrheitsgesellschaft, deshalb springen sie auf das Konzept nicht an“, sagt der Sozialwissenschaftler.

Den türkischen Schüler kann die Geseker Schulausbildung auch ohne deutsche Mitschüler in der deutschen Gesellschaft helfen, glaubt Devrim. Durch den diskriminierungsfreien Alltag brächten sie sich mehr in die Schule ein, durch den täglichen Förderunterricht würden Sprachprobleme aufgearbeitet. „Davon würden aber auch Deutsche profitieren“, sagt Devrim.

Eltern kostet eine Ausbildung in Geseke 4500 Euro pro Jahr für einen Internatsplatz oder 150 Euro monatlich für den Besuch des Gymnasiums samt Mittagessen und Förderunterricht bis 15 Uhr. Den Zusatzunterricht finanziert der Träger, der seit 1998 Nachhilfe- und Deutschkurse in Paderborn anbietet.