buddha, goebbels und kater paul von ILKE S. PRICK
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„Meine Güte“, presst Gisela zwischen zwei Hustern hervor, „wenn sie das nicht gleich ausmacht, kotze ich ihr mitten in die Bude.“ Ich nicke verständnisvoll. Zu mehr bin ich nicht in der Lage, weil meine Lungen auf Minimalfunktion eingestellt sind. „Mit Zigaretten musst du raus auf den Balkon“, krächzt Gisela, „aber wer weiß, was in diesen verdammten Räucherstäbchen drin ist! Da wird dir ja ganz duselig. Tibetische Schadstoffverbrennung vom Feinsten.“ Ihre Gesichtsfarbe changiert ins Bläuliche.

„Nettes Adventskaffeetrinken“, hatte Beate uns neulich vorgeschlagen, „nur wir drei, ganz gemütlich“. Mir schwebten Zimtsterne vor. Tannenzweige, Glühwein und Eierpunsch. So muss das doch sein. Nur leider hatte ich bei meiner Zusage vergessen, dass Beate Weihnachten eigentlich hasst, und habe daher diesen Stimmungswandel auch nicht rechtzeitig mit ihrem Reinkarnationsworkshop in Südfrankreich in Verbindung gebracht. Dummer Fehler!

„Und mit Weihnachten habe ich mich deshalb ausgesöhnt“, säuselt Beate, als sie wieder hereinkommt, „weil ich nun weiß, dass ich im 16. Jahrhundert Äbtissin in einem Frauenkloster im Nordschwarzwald war. Da bekommen christliche Rituale gleich einen ganz anderen Stellenwert.“ Selig lächelnd platziert sie die Kanne Kräutertee à la Hildegard zwischen uns. „Äbtissin, klar, was sonst“, grummelt Gisela in mein Ohr, während sie sich zu Kater Paul beugt, um ihm den nächsten Löffel Sahne auf die Untertasse zu schaufeln. „Gibt’s auf diesen Workshops auch mal reinkarnierte Putzfrauen?“

Darauf war ich heute wirklich nicht eingestellt. Nicht nur wir drei sitzen hier am Tisch, sondern mit uns auch Beates gesammelte Vorleben: eine Priesterin aus Gozo, die verschollene Schwester von Jeanne d’Arc und nun also auch noch die Äbtissin aus dem Nordschwarzwald. Während der ersten Kanne Tee hatte uns Beate einen Vortrag über Wiedergeburt gehalten. Bei der zweiten Kanne fasst Gisela das Ganze kurz und bündig zusammen: „Also wie beim Monopoly. Bei zu viel Scheiß geht’s zurück zum Start, bei guter Führung gibt’s im nächsten Leben die Schlossallee, oder?“

Beate blickt konsterniert. Doch das hält Gisela nicht davon ab, sich munter weiter in buddhistische Abgründe zu begeben: „Wenn du dir aber vorstellst, dass alle Seelen reinkarnieren, also auch die, die richtig übel waren“, sie atmet durch, und mir schwant Schreckliches, „und dass die dann als Regenwurm oder so wieder anfangen müssen“, sie blickt zu Beate, die vorsichtig nickt, „sich langsam hocharbeiten, um irgendwann wieder Mensch zu werden, dann“, sie lächelt dem Kater zu, der aufs Entzückendste um einen Sahnenachschlag buhlt, „könnte es doch sein, dass Paul der reinkarnierte Joseph Goebbels ist.“

„Goebbels?“, kreischt Beate aufgebracht, doch Gisela lässt sich nicht beirren: „Ich meine, irgendwohin muss doch auch Goebbels reinkarniert sein. Und wenn er sich als Regenwurm gut gemacht hat – sechzig Jahre, da dürfte es wohl zu schaffen sein, ein Kater zu werden, oder?“

Paul schnurrt zufrieden, als sie ihm den Bauch krault. Gisela grinst noch breiter. Und plötzlich frage auch ich mich, was denn da nun wirklich drin gewesen ist, in den Räucherstäbchen.