Zwischen Fehleranalyse und alten Fehden

CSU Nach dem Europawahl-Debakel greift Exparteichef Huber den aktuellen Vorsitzenden Seehofer an. Doch der reagiert entspannt

BERLIN taz | Gerade war alles noch so schön in Bayern. Bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst hatte die CSU die absolute Mehrheit der Mandate zurückerobert. Bei der Bundestagswahl kurz darauf fuhr sie ein noch besseres Ergebnis ein. Die Macht des bayerischen Ministerpräsidenten über seine Partei schien unantastbar. Schließlich hatte Horst Seehofer die CSU mit einem Schlag vom Trauma des Jahres 2008 und vom Verlust der auf ewig sicher geglaubten absoluten Mehrheit befreit.

Und nun das: Bei der Europawahl sackten die Christsozialen um 8 Punkte auf 40 Prozent ab – das schlechteste Ergebnis der Partei bei einer überregionalen Wahl seit sechs Jahrzehnten. Statt acht kann die CSU nur noch fünf Abgeordnete nach Straßburg schicken. Nun macht sich offenbar die Befürchtung breit, die guten Zahlen vom letzten Herbst könnten nur Ausreißer nach oben gewesen sein – und Ergebnisse um die 40-Prozent-Marke womöglich auch in Bayern die Regel werden.

Zeit für Fehleranalyse – und dafür, alte Fehden wieder auszugraben. Per Spiegel-Interview hat Ex-CSU-Vorsitzender Erwin Huber die Debatte über die Nachfolge Horst Seehofers neu entfacht – und den aktuellen Parteichef damit sehr bewusst angezählt. Seehofer müsse seinen Führungsstil der heutigen Zeit anpassen, kritisierte Huber – und „die Weichen stellen für die Zeit nach Seehofer“. Spätestens zur Bundestagswahl 2017 müsse „die neue Mannschaft stehen“, und der Vorsitzende habe diese Übergangsphase zu gestalten, „aber nicht allein nach seiner persönlichen Lebensplanung“.

Das saß, ist es doch just dieser autokratische Regierungsstil, den Kritiker Seehofer immer wieder vorwerfen. Der CSU-Chef ist dafür bekannt, sein Spitzenpersonal in München und Berlin nach Belieben herunterzuputzen, wenn ihm etwas nicht passt. Unvergessen ist das Bonmot des vom „Ehrgeiz zerfressenen“ Markus Söder, der sich „zu viele Schmutzeleien“ leiste, wie Seehofer bei einer Weihnachtsfeier vor Journalisten lästerte – und damit seinen Finanzminister in aller Öffentlichkeit degradierte.

Dass Huber nun so austeilt, kommt nicht von ungefähr. Das Verhältnis zu Seehofer gilt seit Langem als zerrüttet. Zwar hatte sich Huber 2007 im Machtkampf um den Parteivorsitz noch gegen Seehofer durchgesetzt. Die Doppelspitze mit Günther Beckstein währte jedoch nicht lange: Bei der Landtagswahl 2008 fuhr das Duo eben jenes traumatische Wahlergebnis ein, das die CSU die absolute Mehrheit kostet – und damit die Alleinregierung.

„Der Erwin Huber wollte mich nie“, konterte Seehofer nun in der Süddeutschen Zeitung entsprechend entspannt. Die Kritik seines Amtsvorgängers sei „erwartungsgemäß“. Zur Nachfolgediskussion werde er auf absehbare Zeit nichts sagen.

Schließlich war ein anderer Schuldiger für die Schlappe bei der Europawahl schnell gefunden. Markus Ferber, der Spitzenkandidat bei der Europawahl, hatte bayernweit die größten Einbußen eingefahren. Dass die CSU zuvor im Wahlkampf sowohl für als auch gegen die EU politisiert hatte? Sei’s drum. Am Sonntag wurde der 49-jährige Ferber, der der CSU-Europagruppe seit 1999 vorgestanden hatte, in einstimmiger Wahl durch Angelika Niebler ersetzt.

Nieblers Beförderung wiederum sorgt für eine interessante Randnote innerhalb der CSU: Deren Position als parlamentarische Geschäftsführerin übernimmt nun Monika Hohlmeier. Die Tochter von Franz Josef Strauß (siehe Text oben) und ehemalige Kultusministerin erlebt damit zumindest ein kleines Comeback. Sie war 2005 wegen tiefer Verstrickungen in eine Affäre um gefälschte Aufnahmeanträge und Stimmenkauf erst als Kultusministerin und dann auch vom Amt als Bezirksvorsitzende der Münchner CSU zurückgetreten. Es gibt eben immer ein „Vorher“ und ein „Nachher“ in der CSU. MARLENE HALSER