Spaniens König der Demokratie tritt ab

MONARCHIE Juan Carlos verlässt nach 39 Jahren den Thron. Einst stand der König für die Wende zur Volksherrschaft

Aus dem von Diktator Franco eingesetzten Monarchen wurde ein Bürgerkönig

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens König Juan Carlos nimmt die Krone. „Heute hat es eine jüngere und mit neuer Energie ausgestattete Generation verdient, entschlossen an vorderster Linie die Veränderungen und Reformen anzugehen, die die derzeitigen Umstände verlangen“, erklärte der 76-jährige Monarch am Montagmittag in einer Fernsehansprache. Nach 39 Jahren an der Spitze des Staates tritt Juan Carlos zugunsten seines 46-jährigen Sohnes Felipe ab.

Bereits knapp drei Stunden zuvor hatte der konservative Regierungschef Mariano Rajoy in einer kurzfristig angesetzten „institutionellen Erklärung“ die Spanier auf diesen Schritt vorbereitet. „Ich hoffe, dass in Kürze das spanische Parlament den zum König ernennt, der bisher Prinz von Asturien ist“, erklärte Rajoy. Doch bevor Felipe als Felipe VI. den Thron besteigen kann, muss das Parlament erst die entsprechenden rechtlichen Grundlagen schaffen, denn ein Abdanken des Königs war in der Verfassung nicht vorgesehen.

König Juan Carlos hat seinen Entschluss bereits im Januar dieses Jahres getroffen. Regierungschef Rajoy sei im März eingeweiht worden. Die Fernsehansprache war erst kurz vor der Ausstrahlung aufgezeichnet worden, um zu verhindern, dass die Nachricht durchsickert.

Über konkrete Gründe für seinen überraschenden Schritt schwieg sich Juan Carlos aus. Sie zu nennen, war auch nicht nötig, denn die Spanier wissen ohnehin, dass der Monarch gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Er wurde in den vergangenen Jahren mehrmals an der Hüfte operiert.

Zum anderen haben eine ganze Reihe von Skandalen in jüngster Zeit an der Beliebtheit der spanischen Monarchie gekratzt. Am schwersten wiegt die Verstrickung des Schwiegersohns des Königs, Iñaki Urdangarin, in eine Korruptionsaffäre. Er wird beschuldigt, mehr als 6 Millionen Euro aus öffentlichen Aufträgen erhalten zu haben, für die er so gut wie keine Gegenleistung erbracht hatte. Dazu bediente er sich eines Unternehmens, das als gemeinnützig angemeldet worden war und Sportevents und sonstige Veranstaltungen organisierte. In diesem Zusammenhang wird auch gegen Ehefrau und Königstochter Cristina sowie gegen deren Privatsekretär, der von Juan Carlos ausgewählt und eingestellt wurde, ermittelt. Die Spanier fragen sich, ob der König von diesen Machenschaften wusste oder sie gar ermöglicht hat.

Hinzu kamen negative Schlagzeilen, die Juan Carlos selbst produzierte. Da ist die Verletzung des Königs 2012 bei einer Elefantenjagd in Afrika. Mitten in der Krise mit ihren Sparhaushalten nahmen die Spanier ihrem Monarchen dieses extravagante Hobby mehr als übel. Nachdem Juan Carlos das Krankenhaus verlassen hatte, entschuldigte er sich öffentlich im Fernsehen. „Es wird nicht wieder vorkommen“, sagte er. Seine Beliebtheit sank dennoch weiter. In Umfragen des öffentlichen Meinungsforschungsinstituts CIS geben die Spaniern ihm seither nur noch die Note „ungenügend“.

Dabei war der König bis vor wenigen Jahren in der Bevölkerung ausgesprochen beliebt – vor allem wegen seiner historischen Verdienste. Von Diktator Franco als Nachfolger bestimmt, wurde Juan Carlos nur zwei Tage nach dessen Tod im November 1975 vom faschistischen Parlament zum Staatschef ernannt. Der Enkel des in den 1930er Jahren gestürzten Monarchen Alfonso XIII., der im Exil geboren wurde und erst zur Schul-, Universitäts- und Militärausbildung ohne seine Eltern nach Spanien zurückgekehrt war, bewies Gespür im Umgang mit der politischen Klasse. Unter seiner Regie begann die Transición – der Übergang von der Diktatur zur Demokratie.

Seinen wichtigsten Auftritt hatte Juan Carlos am 23. Februar 1981, als ein Teil der Armee und der paramilitärischen Guardia civil einen Putschversuch gegen die neue demokratische Ordnung unternahm. Juan Carlos verurteilte den Staatsstreich im Fernsehen in der Uniform des Oberbefehlshabers der Armee. Die Militärrebellion brach zusammen.

Am nächsten Tag gingen weit über eine Million Menschen in Madrid für die Demokratie auf die Straße. Aus dem von Franco eingesetzten Monarchen war endgültig ein Bürgerkönig geworden. Doch seine Beliebtheit verspielte Juan Carlos in den letzten beiden Jahren nahezu vollständig.