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Zutrauen veredelt

betr.: „Eine Revolution im Denken und Handeln“

Greffrath und Engler haben überraschenderweise mehr gemein, als ihre gegensätzliche Position zum Grundeinkommensvorschlag erwarten lässt. Beide sind sich darin einig, dass eine erhebliche Zahl von Menschen nicht dazu in der Lage wäre, ein sinnvolles Leben zu führen, ohne dass der ökonomische Zwang zum Broterwerb zu einer Erwerbsarbeit drängt.

So kann Greffraths klassenkämpferische, ideologiekritische Entlarvungsrhetorik nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hauptgrund seiner Ablehnung das Autonomiemisstrauen ist, das er als klassischer Vertreter einer strukturell autoritären Arbeitersolidarität vertritt. Er sitzt darin im Hinblick auf das Grundeinkommen im gleichen Boot wie der paternalistische Unternehmer früherer Zeiten, welcher der individuellen Autonomie seiner Arbeitnehmer nichts zuzutrauen vermag.

Engler zeigt endlich offen, dass er den Denkstrukturen des deutschen Sonderwegs, wie sie etwa im DDR-Sozialismus verbreitet waren, stark verhaftet ist, wenn er die „Ungebildeten“ vor Erhalt eines zum Leben ausreichenden Grundeinkommens erst bevormundend an der Hand nehmen und zu „neuen Grundeinkommensmenschen“ erziehen will. Engler müsste als Soziologe, sofern er denn wirklich als solcher forscht, wissen, wie sich Autonomie prozessual bildet und dass Götz W. Werner kein Idealist, sondern schlicht ein Realist ist, wenn er Freiherr von Stein zitiert: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“ Die Autonomie derer, die Greffrath und Engler für zu unreif für ein Grundeinkommen halten, wird durch das Vertrauen, das ein Grundeinkommen strukturell in sie setzt, wachsen und entstehen. Aus wissenschaftlich-soziologischer Sicht kann daran kaum ein Zweifel bestehen.

MANUEL FRANZMANNFrankfurt am Main

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