NRW-Justizministerin ohne Reue

Ein Rechtsratgeber als politischer Sargnagel. Für die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter könnte sich ihr Buch „Auto kaufen und verkaufen“ als solcher erweisen. Sie war bereits nach dem Mord im Siegburger Jugendgefängnis massiv unter Druck geraten.

Für das Werk wirbt die Ministerin auf dem Buchrücken mit ihrem Amt. Landtagsabgeordneten ist so etwas per Gesetz untersagt. Müller-Piepenkötter hat das nicht gestört. Nachdem die taz-nrw darüber berichtet hatte, polterte die Opposition über die fragwürdige Werbung los. Sie hätte sich „besser um die Haftanstalten kümmern sollen“, anstatt Bücher zu schreiben. Die Ministerin findet die Nennung des Titels weiterhin unproblematisch, wie sie der taz gestern sagte: „Das Ministeramt gehört zu meinem Lebenslauf, ist die aktuelle Berufsbezeichnung.“

Für die CDU-Frau könnte es eng werden. Als Erste aus dem Kabinett von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers steht sie ernsthaft unter Beschuss. MüPi, wie die 56-Jährige in der schwarz-gelben Koalition genannt wird, agiert oft unbeholfen. Mitte November hatten in einer Siegburger Haftanstalt drei Insassen ihren Zellengenossen bestialisch gefoltert und ermordet. Die Vollzugsbeamten hatten von dem Vorfall keine Notiz genommen, obwohl sie zwischenzeitlich in der Zelle waren. Die Ministerin reagierte verhalten. So vergaß sie, sich bei den Angehörigen des Opfers zu melden. Den Ort des Verbrechens besuchte sie erst nach fünf Tagen. Das hielt sie für juristisch korrekt. Denn laut ihrem Sprecher seien ja „alle Angestellten und der Leiter der Haftanstalt potenziell Beschuldigte“ gewesen. Da wollte die Ministerin den Ermittlern nicht ins Handwerk pfuschen.

Eine Geschichte, an der sich Müller-Piepenkötters Problem als Politikerin offenbart – sie ist keine. Sie hat das Handwerk, zu dem das Klappern und der öffentliche Auftritt gehören, nicht gelernt. Sie ist Juristin. Bis zu ihrer Ernennung arbeitete die verheiratete Mutter zweier Kinder als Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf. Sie ist es gewohnt, erst Fakten zu sammeln, bevor sie ein Urteil fällt. Das wirkt oft langatmig.

So vergingen acht Tage, bis Müller-Piepenkötter den Siegburger Gefängnisleiter versetzte. Und im Rechtsausschuss wusste sie nicht, wie viele Beamte in der Tatnacht Dienst hatten. Zudem lässt sie dort gerne ihre Fachbeamten reden, „schließlich haben die alles zusammengetragen“, wie ein Sprecher erklärt. Die fatale Außenwirkung ist ihr wohl nicht bewusst.

In Justizkreisen hatte man sich über die Praktikerin an der Spitze gefreut. Der aber offenbar der politische Instinkt fehlt.

BENJAMIN WASSEN