Ohne Hose vor den Opfern, ohne Reue vor den Richtern

ISRAEL Der frühere Staatschef Mosche Katzaw wird nach einem langen Prozess der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden. Er bleibt frei und will in Berufung gehen

AUS TEL AVIV SUSANNE KNAUL

Mosche Katzaw drückt das Rückgrat gerade und quält sich ein Lächeln ab, als er den Gerichtssaal betritt, um die Entscheidung zu hören in zwei Vergewaltigungsfällen sowie einem von sexuellem Missbrauch von Untergebenen. Ausgerechnet dem Paradelinken Gideon Levy von Haaretz ruft er ein kräftiges Guten Morgen zu, was Levy peinlich berührt. Die anderen Pressevertreter ignoriert Israels früherer Präsident demonstrativ. Als die zwei Richterinnen und der Vorsitzende Richter George Karra ihre Plätze einnehmen, bleibt der Angeklagte für einen Moment noch unterwürfig stehen. Katzaw wartet vergeblich. Schuldig in allen Punkten, entscheiden die Richter einstimmig. Nur bei dem Vorwurf, er habe Zeugen vorsätzlich bedrohen wollen, ließen sie Abstriche zu.

Der Angeklagte, dezent im schwarzen Anzug und mit grauer Krawatte, lässt sich seine Nervosität kaum anmerken. Mit steinerner Miene hört er mehr als eine Stunde der 29 Seiten langen Urteilsbegründung zu. Katzaw bleibt selbst dann noch äußerlich ruhig, als Richter Karra das Vergewaltigungsopfer A. zitiert. „Ich habe die ganze Zeit gekämpft und gesagt, dass ich nicht will“, heißt es in der Urteilsbegründung, die festhält, wie der Angeklagte „ohne Hosen“ seine Mitarbeiterin in einem Hotelzimmer empfangen habe, um sich anschließend mit Gewalt an ihr zu vergehen. Erst als der Richter den Schuldspruch in zwei Vergewaltigungsfällen festhält, wird Katzaw nervös. Er hebt die Augenbrauen, sucht den Blick seiner Anwälte und seines Sohnes, lächelt müde und deutet ein Kopfschütteln an. Zweimal greift er zu der Wasserflasche vor ihm und nimmt einen tiefen Schluck.

Die Richter schenkten den Opfern größeres Vertrauen als dem Angeklagten, der sich selbst in Widersprüche verstrickt habe und der, so Richter Karra, seinen größten Fehler beging, als er die außergerichtlich getroffene Einigung und damit die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe ablehnte. Katzaw hätte dann indes auch seine Schuld eingestehen müssen. Stets aber beteuerte der Expräsident, er habe nichts Böses getan, sondern sei Opfer einer Schmutzkampagne geworden, speziell des früheren Generalstaatsanwalts Menachem Mazuz. Der hatte Katzaw unverblümt als „sexuellen Serienverbrecher“ bezeichnet, als er das Verfahren gegen ihn empfahl.

Die Mindeststrafe für Vergewaltigung beträgt vier Jahre Haft, die Höchststrafe liegt bei 16 Jahren. Die einzige Bitte, die einer von Katzaws Anwälten nach der Urteilsverlesung vorbringt, ist, dass sich sein Mandant bis zur Verkündung des Strafmaßes frei bewegen dürfen soll. Die Richter wollen nur den Pass des Verurteilten einbehalten. Wahrscheinlich ist, dass Katzaw Berufung vor dem Obersten Gericht in Jerusalem anstreben wird. Jael Balla Avni, Leiterin des Zentrums für Opfer sexueller Gewalt in Jerusalem, zeigt sich erleichtert. Mit dem „einstimmigen Schuldspruch“, der Katzaw „als Lügner entlarvt“, sei ein Freispruch in der Berufung „sehr schwer“.

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