: Brutalstmöglich
Hiobsbotschaft für Hessens nicht kommerzielle Radio- und Fernsehsender: Ministerpräsident Roland Koch will lieber Handy-TV als Lokalfunk fördern
Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt
Die das Land mit absoluter Mehrheit regierende hessische CDU mit Ministerpräsident Roland Koch als Frontmann ist dabei, einem weiteren Projekt aus der Zeit der früheren rot-grünen Landesregierungen den finanziellen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Nach den Mittelkürzungen für Frauenhäuser und soziale Einrichtungen soll jetzt auch den sieben nicht kommerziellen Lokalradios (NKL) im Lande der Geldhahn abgedreht werden. Ein Gesetzentwurf der Landesregierung jedenfalls, der jetzt bei einer Anhörung im Landtag von SPD und Grünen, den beigeladenen Kirchen und Gewerkschaften und natürlich den Betroffenen selbst in der Luft zerrissen wurde, sieht vor, dass die bisherigen Fördermittel in Höhe von knapp vier Millionen Euro von der zuständigen Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR) neu verteilt werden.
Koch und die Union wollen erreichen, dass aus dem Fördertopf mehr Geld als bisher in den Ausbau der technischen Infrastruktur fließt; etwa für die Einführung von Handy-TV. Das aber führe zwangsläufig „bei gleichbleibender Etathöhe“ zu einer Kürzung der Mittel für die NKL und die nicht kommerziellen Offenen Kanäle (TV), meinen die Sprecher der Fördervereine der Lokalradios und der vier unabhängigen Fernsehsender.
Die Grünen im Landtag befürchten, dass auch Projekte zur Vermittlung von Medienkompetenz an hessischen Schulen und Jugendbildungseinrichtungen durch die von der CDU avisierte „falsche Gewichtung“ bei der Verteilung der Fördermittel gefährdet sein könnten. Für die SPD betreibt Koch „Etikettenschwindel“. Was die Union nämlich Modernisierung des Hessischen Privatrundfunkgesetztes (HPRG) nenne, so der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Michael Siebel, sei nichts anderes als der „politisch motivierte Kahlschlag einer sehr bunten und sehr ausdifferenzierten Medienszene“.
Die Betroffenen selbst sehen bei einer inzwischen diskutierten Mittelkürzung von 40 Prozent ihre Existenz bedroht. „Yap. Wir stehen vor dem Aus!“, funkte etwa das Frankfurter Radio X. Stellvertretend für alle sieben NKL in Hessen forderte Peter Fey von Radio X auf der Anhörung im Landtag denn auch umfangreiche Nachbesserungen im Gesetzentwurf, die den Erhalt der ohnehin bescheidenen Budgets für die NKL sicherstellen sollen. Im Grunde genommen könnten die lokalen Medienalternativen ohnehin nur rund 600 Stunden in der Woche live und werbefrei Radioprogramme produzieren, weil so viel „ehrenamtliche Leidenschaft“ mit im Spiel sei. Für den Erhalt von Radio Rüsselsheim etwa verabschiedeten alle Fraktionen im Stadtparlament – auch die der CDU – gar eine Resolution, in der die Landesregierung aufgefordert wird, das Privatrundfunkgesetz unverändert zu lassen: Lokalradios seien ein „grundlegender Bestandteil unserer Mediendemokratie“. Darüber hinaus sei gerade das Lokalradio in der Opelstadt eine Kommunikationsplattform für Bürger mit Migrationshintergrund. Schade nur, dass einige ehrenamtliche deutschstämmige Moderatoren des Senders kaum einen Satz grammatikalisch richtig aufsagen können. Aber vor allem vormittags ist auch in Rüsselsheim tatsächlich Lokalradio im eigentlichen Wortsinn mit Liveschaltungen zu hören.
Nach der Anhörung im Landtag letzte Woche hält sich die CDU bislang bedeckt. Sollte der Gesetzentwurf demnächst unverändert in den Landtag eingebracht werden, wollen die Grünen einen Änderungsantrag im Sinne der NKL und auch der anderen Betroffenen einbringen. Angesichts der absoluten Mehrheit für die Union sind die Erfolgsaussichten allerdings eher mager. Und dass sich Koch von der geschlossenen Phalanx auch der Verbände und Interessengruppen wird beeindrucken lassen, ist auch unwahrscheinlich.
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