In Washington hüllt sich nur das Weiße Haus in beredtes Schweigen

Aus allen politischen Ecken fluten in der amerikanischen Hauptstadt die Kommentare zum Baker-Bericht zur Lage im Irak. Der Präsident aber findet für die Expertise nur dürre Worte

WASHINGTON taz ■ Der Präsentation des lange erwarteten Irak-Berichtes der Baker-Hamilton- Kommission am Mittwoch folgte in Washington eine Kaskade von Statements aus allen politischen Ecken. Die einzige Stelle, die erstaunlich schweigsam blieb, war die adressierte, nämlich das Weiße Haus selbst. US-Präsident George W. Bush hatte lediglich wissen lassen, dass er sich für den interessanten Report bedanke. Er nannte ihn eine Chance, um einen Konsens in der Irakpolitik zu finden. Das Weiße Haus kündigte zunächst lediglich eine sorgfältige Prüfung der insgesamt 79 Empfehlungen zur radikalen Strategieänderung im Nahen Osten an.

Der 96 Seiten umfassende Bericht erhielt sowohl von Demokraten als auch von Republikanern im Kapitol überwiegend Anerkennung. Am Donnerstag beriet der US-Senat über Schlussfolgerungen für die Außenpolitik der Bush-Regierung. Der Senat hatte die beiden Kommissionsvorsitzenden, Exaußenminister James Baker und den ehemaligen demokratischen Abgeordneten Lee Hamilton, dazu eingeladen. Senator John Kerry meinte, der Bericht unterstreiche, dass es für die Probleme im Irak keine militärische Lösung gebe. Andere Demokraten machten sich bereits Sorgen, dass, obgleich sie bereit seien zur konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Präsidenten – der auch „Commander in Chief“ und oberster Verantwortlicher ist –, das bittere Erbe des Irakkrieges nun auch auf sie fallen könnte. Daher sagte der designierte demokratische Senatspräsident Harry Reid in TV-Interviews laut und deutlich: „Der Ball liegt nun in seiner Spielecke.“

Kritik am Irakbericht kam vom möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten, dem Senator John McCain. Er frage sich, was es bringen solle, nun mit Syrien und dem Iran zu sprechen, und ob der Zusammenhang zwischen der Gewalt im Irak und dem von der Kommission geforderten erneuten Engagement im israelisch-palästinensischen Friedensprozess „nicht ausgesprochen dünn“ sei. Der Bericht fordere Aktionen zu Problemen, die seit 60 Jahren in der Region existierten. Auch einige engagierte Bush-Anhänger zeigten sich unzufrieden. Die Kommission habe offensichtlich naive Empfehlungen vorgelegt, sagte die republikanische Abgeordnete Heather Wilson. „Ich habe ein Steak zum Abendessen erwartet, und wir haben nur Vorspeisen bekommen.“

Der Militärexperte der New York Times, Michael Gordon, schrieb unterdessen, dass die militärischen Empfehlungen der Baker-Kommission wohl mehr auf Hoffnung als auf Erfahrungen beruhten. Sie stünden zudem im Widerspruch zu Empfehlungen der Militärs. Dennis Ross, der frühere Nahost-Gesandte der Präsidenten Bush senior und Clinton, meinte, der Bericht gebe sowohl den Demokraten als auch dem Weißen Haus eine gute Grundlage in die Hand, nun überparteilich zusammenzuarbeiten und die politische Spaltung der letzten Jahre zu überwinden.

In Washington wurde am Donnerstag der britische Premierminister Tony Blair zu Beratungen mit US-Präsident George W. Bush erwartet. Und auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will am Freitag mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice ausführlich über die Empfehlungen der Baker-Kommission zum Irak sprechen.

ADRIENNE WOLTERSDORF